Kommentar:Mehr erwarten

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Die Bürger sind bereit zur Hilfe, einige stellen auch ihre Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung. Man muss sie nur fragen

Von Sebastian Fischer

Die Bürger in Sankt Wolfgang waren am Anfang auf sich allein gestellt. Als die erste Familie aus Afghanistan Anfang dieses Jahres in der Nachbarschaft einzog, hat noch kein Politiker die Flüchtlingshilfe organisiert. So erzählt es Doris Decker, sie ist beim Flüchtlings-Helferkreis Sankt Wolfgang für die Sachspenden zuständig. Mittlerweile ist Decker aber mit Ulrich Gaigl (Freie Wähler), ihrem Bürgermeister, zufrieden. Er hat ihr einen Raum für die Spenden organisiert, er sucht täglich händeringend nach Wohnraum für die nächsten Flüchtlinge, die bald ankommen sollen. "Wir alle schauen uns um", sagt Decker. Wir: Bürger und Politik gemeinsam. Das ist noch viel zu selten.

Die Hilfsbereitschaft der Menschen in Deutschland ist überwältigend in diesen Tagen. Auch in Bayern, wo sich die Regierung mit der Hilfsbereitschaft manchmal ziemlich schwer tut: Während die Bilder von dankbaren Flüchtlingen am Münchner Hauptbahnhof um die Welt gehen, kritisiert Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Kanzlerin dafür, dass diese Bilder überhaupt zustande kamen. Die paradoxe Wahrnehmung mancher Politiker ist zum Teil bis hinunter in die kleinsten Gemeinden vorhanden.

Die sind im Landkreis nun gefordert. Vielleicht fühlen sich manche Kommunen zunächst überfordert, wenn eine Quote für eine gleichmäßigere Verteilung eingeführt werden soll, nach der statt fünf bald 50 Flüchtlinge in der Nachbarschaft wohnen könnten. "Ganz schwierig" oder "riesige Herausforderung", das fällt vielen Lokalpolitiker ein angesichts des Vorstoßes von Landrat Bayerstorfer (CSU). Man könne ja von niemandem erwarten, die Wohnung im Privatbesitz an Flüchtlinge zu vermieten. Man kann aber, wie es Gaigl getan hat, die Suche nach Wohnungen zur wichtigsten Aufgabe erheben. Und, siehe da: Er hat schon ein paar Wohnungen gefunden. Es darf von jeder Gemeinde im Landkreis erwartet werden, dass sie Flüchtlinge aufnimmt.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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