Kommentar:Kurzsichtige Entscheidung

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Landrat Bayerstorfers Argument, die Kosten des Frauenhauses seien untragbar hoch, fußt auf einem allzu simplen und platten Vergleich mit der Freisinger Einrichtung.

Von Florian Tempel

Eigentlich stünde es in diesem Jahr an, das Frauenhaus Erding, die dazugehörende Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt, vor allem aber deren langjährige Mitarbeiterinnen offiziell zu würdigen. Das Frauenhaus wird 25 Jahre alt, die Interventionsstelle gibt es seit zehn Jahren. Doch was macht Landrat Martin Bayerstorfer? Er schmeißt die Frauen, die dort seit Jahren arbeiten, einfach raus. Nichts anderes ist seine Kündigung des Vertrags mit dem Träger des Frauenhauses.

Bayerstorfer begründet seine kurzsichtige Entscheidung mit angeblich zu hohen Kosten. Im Erdinger Frauenhaus werde schlechter gewirtschaftet als im Frauenhaus in Freising. Das ist ein ungemein platter und pauschaler Vorwurf. Bayerstorfer sieht ein geringeres Defizit in Freising als in Erding und zieht allein daraus den radikalen Schluss, mit seinem eigenen Frauenhaus Schluss zu machen. Man stelle sich vor, Bayerstorfer würde mit derselben simplen Logik ans Klinikum Erding herangehen. Auch das macht ja bekanntlich seit Jahren deutlich mehr Verluste als das Klinikum im benachbarten Freising. Bayerstorfer akzeptiert im Fall der Krankenhäuser, dass es trotz aller Ähnlichkeiten Unterschiede gibt, die Frauenhäuser schert er jedoch über einen Kamm. Seine Kritik, das Erdinger Frauenhaus verursache nicht tragbare Kosten, wäre erst dann nachvollziehbar, wenn Bayerstorfer das detailliert und in einem breiten Vergleich mit weiteren bayerischen Frauenhäusern belegen könnte.

Schlimm ist nicht nur, wie der Erdinger Landrat mit den langjährigen und kompetenten Frauen, die im Frauenhaus des Landkreises arbeiten, umgeht. Schlimm ist auch, welche Botschaft er mit seiner Entscheidung aussendet: Indem er den Betrieb des Erdinger Frauenhauses einem unangemessenen ökonomischen Diktat unterwirft, reduziert er die gesellschaftliche Wichtigkeit aller Frauenhäuser. Dabei wäre ein Ausbau der Kapazitäten notwendig. Denn jede zweite Frau in einer Notlage, so eine bayernweite Studie, muss von den Einrichtungen abgewiesen werden.

© SZ vom 05.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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