Kommentar:Krude Argumente

Lesezeit: 1 min

Für Machiavellisten mag das ein ernsthafter Gedankengang sein. In einer moderne Demokratie ist es blanker Unsinn

Von Florian Tempel

Ist es zu viel verlangt, dass sich Stadt- und Gemeinderäte an die Gesetze halten? Nach Ansicht vieler Politiker ist es das offenbar. Die gesetzliche Vorschrift, dass Sitzungen politischer Ratsgremien grundsätzlich öffentlich sein müssen, taugt ihnen wenig. Man muss doch auch mal etwas unter sich bereden können, ohne dass es am nächsten Tag in der Zeitung steht. Eine wirklich offene Diskussion, so lautet ihr krudes Argument, ist nur im Geheimen möglich. Für Machiavellisten mag das ein ernsthafter Gedankengang sein. In einer modernen Demokratie ist es blanker Unsinn.

Der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit ist keine kleinkarierte Vorschrift, sondern ergibt sich direkt aus unserer demokratischen Verfassung. Die gewählten politischen Repräsentanten müssen sich in den Gemeinde- und Stadtratsitzungen der Öffentlichkeit stellen, damit man erfahren kann, wie jeder einzelne gewählte Kommunalpolitiker zu einer Sache steht. Außerhalb von Stadtratssitzungen bleibt es den Gemeinde- und Stadträten unbenommen, sich ohne Zuhörer über ein Thema auszutauschen, es zu diskutieren und zu besprechen.

In vielen Fällen wird auch gerne argumentiert, dass in nichtöffentlichen Sitzungen doch noch gar nichts Entscheidendes beraten und beschlossen werde. Es gehe nur um ein erstes Abtasten und darum, dass Ratsmitglieder grundlegende Informationen zu einem Thema bekommen. Die eigentliche Diskussion folge erst in späteren, dann selbstverständlich öffentlichen Sitzungen. Solche Rechtfertigungen ziehen ebenfalls nicht. Wenn es nur um Informationen gehen sollte, gibt es keinen Grund für Geheimhaltungen. Und wenn die angeblich echte Diskussion erst später folgen sollte, müsste die initiale Geheimsitzung ja doch so banal sein, das sie überflüssig wäre.

Wie man es dreht und wendet: Nichtöffentliche Sitzungen zu Themen von öffentlichem Interesse sind entweder zu recht rechtswidrig - oder sie machen gar keinen Sinn.

© SZ vom 07.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: