Kommentar:Ignorieren hilft nicht

Der Widerstand gegen Rechts beginnt mit dem Abkratzen von rechten Aufklebern - oder beim Smalltalk im Wartezimmer, wenn beispielsweise auf die "Homosexuellen-Lobby" wird.

Von Anselm Schindler

Wer sich Rechtspopulisten, Nationalisten und Nazis entgegenstellt, kennt das Argument: "Ihr gebt denen mit eurem Protest nur noch mehr Aufmerksamkeit, ignoriert sie doch einfach." Doch die Herangehensweise, rechten Scharfmachern den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem man sie ignoriert, ist so beliebt wie falsch.

Denn die Erfahrung zeigt: Da, wo sich Rechtsradikale ausbreiten können, ohne auf Widerstand zu stoßen, da tun sie es auch. So sind beispielsweise in Teilen von Ostdeutschland ganze Gegenden entstanden, in denen die Faschisten in die Lücken schlüpfen, die vom Rest der Gesellschaft und dem Sozialstaat nicht mehr ausgefüllt werden. Gegenden, in denen es niemanden mehr zu stören scheint, wenn aus Fenstern die schwarz-weiß-rote Reichskriegsflagge hängt.

Der Widerstand gegen rechts, das ist vielleicht das Anstrengendste daran, muss stets gegen die durchgesetzt werden, die versuchen, zu bagatellisieren, die finden, man solle das alles nicht so eng sehen. Denn auch wenn es manchmal lästig ist: Der Widerstand darf nicht erst dort ansetzen, wo die Rechten bereits auf der Straße marschieren oder Nationalisten auf Youtube offen für ihre stumpfe Ideologie werben.

Der Widerstand beginnt mit dem Abkratzen von rechten Aufklebern - oder beim Smalltalk im Wartezimmer, wenn beispielsweise auf die "Homosexuellen-Lobby" oder "Emanzen" geschimpft wird. Oder auf Asylbewerber und Juden. Es ist deshalb wichtig, dass schon bei den ersten Anzeichen rechter Mobilmachung Alarm geschlagen wird. Denn auch jeder rechte Aufkleber ist schon einer zu viel.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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