Kommentar:Es geht um die Meinungsfreiheit

Lesezeit: 1 min

Das Bußgeldverfahren gegen Heiner Müller-Ermann ist ein echter politischer Fall

von Florian Tempel

Die Richterin hat in der Verhandlung um die angebliche Zwei-Mann-Versammlung von Heiner Müller-Ermann betont, dass politische Einstellungen und Ansichten in diesem Fall keine Rolle spielten. Sie sagte das zu Beginn der Verhandlung und wiederholte es noch einmal in der Urteilsbegründung. Tatsächlich aber war das Verfahren ein echter politischer Fall.

Der wesentliche Punkt in der Groteske um Müller-Ermann und sein Plakat ist, dass hier nicht weniger als das Recht auf freie Meinungsäußerung in Frage gestellt worden ist. Das Grundgesetz garantiert jedem, "seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten". Das steht im Grundgesetz ganz weit vorne, es ist der fünfte Artikel unserer Verfassung. Wenn einer seine Meinung in so friedlicher Weise wie Müller-Ermann mit einem Plakat äußern will, dann hat er jederzeit das Recht dazu.

Als die Polizei glaubte, weil ein zweiter Mensch zu Müller-Ermann und seinem Plakat trat, wäre aus der Meinungsäußerung eine Versammlung geworden, irrten sich die Beamten. Kann mal vorkommen. Als auf den Bericht der Polizei hin im Landratsamt jedoch der Bußgeldbescheid erlassen wurde, war das schon ein Stück weit ärgerlich. Allerdings durfte man immer noch erwarten, dass sich die Absurdität des Vorwurfs nach einem Einspruch und einer Stellungnahme des Beschuldigten aufklären würde.

Richtig bedenklich wurde die Sache dann jedoch durch die anhaltende Sturheit der Behörde, die den Bußgeldbescheid vernünftigerweise hätte zurücknehmen müssen und es nicht tat. Dass das Landratsamt bei einem Vorgang, bei dem es in zentraler Weise um Meinungsfreiheit geht, in seiner rechtlichen Beurteilung so sehr daneben greift und unbeirrbar bis zuletzt dabei bleibt, ist mehr als bitter. Es nährt den Verdacht, dass der kritische und unbequeme Müller-Ermann absichtlich abgestraft werden sollte.

© SZ vom 12.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: