Kommentar:Erbärmlicher Rundumschlag

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Protest und Beleidigung

Von Florian Tempel

Die beschämende Art und Weise, wie der Altöttinger Landrat Erwin Schneider die Demonstranten bei der A 94-Eröffnung beschimpft hat, war schon an sich ein starkes Stück. Mit einer vernünftigen Entschuldigung hätte er das jedoch leicht wieder hinbiegen können - ach was, es hätte schon gereicht, wenn er nichts mehr dazu gesagt hätte. Seine grotesken Rechtfertigungsversuchen sind aber sind so erbärmlich, dass man den Demonstranten beipflichten muss: Wer als Politiker derart cholerisch und überheblich handelt, dem muss man etwas entgegensetzen. Anzeigen wegen Beleidigung sind zwar oft kleinkarierte Retourkutschen. In diesem Fall ist die Anzeige jedoch angebracht - weil man Landrat Schneider aufzuzeigen muss, wie sehr er die Grenzen von Anstand und Vernunft übertreten hat.

Schneiders Äußerungen sind aus mehreren Gründen untragbar. In einer Zeit, in der üble Beleidigungen und Beschimpfungen im Netz und anderswo erschreckende Formen und Ausmaße angenommen haben, befeuern solche, in der Öffentlichkeit aufgeführten Entgleisungen den weiteren Verfall. Schneiders unbeherrschter Wutanfall ist Internet-Grobianen eine willkommene Bestätigung ebenso ungezügelt draufzuhauen.

Unverständlich ist auch, dass der Altöttinger Landrat es nicht aushalten mag, wenn in einer Menge von mehreren Hundert Menschen drei junge Männer eine von der Mehrheit abweichende Meinung zum Ausdruck zu bringen. Da mangelt es Schneider nicht nur an Contenance. Seinen späteren Rechtfertigungsversuchen offenbaren seine stark reduziert Fähigkeit, sich argumentativ auseinandersetzen zu wollen.

Alle Gegner der Isentalautobahn mussten sich schon oft anhören, dass sie mit ihrem Widerstand gegen die A 94 für Tod und Leid durch Verkehrsunfälle auf der B 12 mitverantwortlich seien. Es ist erschütternd zu sehen, wie sehr eine so dumme Behauptung durch penetrante Wiederholung zu einem vermeintlichen Argument wurde. Tatsächlich aber ist und bleibt es nur eine Verleumdung, den Menschen im Isental, die sich immer friedfertig gegen den Bau der A 94 durch ihre Heimat gewehrt haben, die Verkehrstoten auf der B 12 in die Schuhe zu schieben. Das ist infamer Blödsinn.

Dass Schneider diese Gemeinheit ausgerechnet in einem Moment auspackt, an dem so vielen Menschen zum Heulen zumute war, ist erbärmlich. Damit hat er eben nicht nur die drei Demonstranten, sondern in einem Rundumschlag sehr viele Menschen im Isental beleidigt.

© SZ vom 09.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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