Kommentar:Bewusstseinswandel notwendig

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Wer Auszubildende für sich gewinnen will, muss neue Wege gehen. Nicht nur die Unternehmer, sondern auch Eltern sollten umdenken.

Von Gerhard Wilhelm

Die Betriebe im Landkreis Erding haben seit einigen Jahren zunehmend Probleme, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Vor allem kleinere Unternehmen. Gleichzeitig sind aber etliche Jugendliche, die gerade ihre Schule abgeschlossen haben, ohne Lehrstelle. Wie passt das zusammen?

Eines vorneweg: Erding stellt keine Ausnahme dar. Im Punkt Bemühen um einen Auszubildenden stellt das Forschungsprojekt zum Ausbildungsmarkt im Landkreis Erding den Betrieben sogar ein gutes Zeugnis aus. Viele würden mehrere Kanäle benutzen, um "ihren" Azubi zu finden. Nur im Internet könnten vor allem kleinere Betriebe mehr tun. Letztere haben auch die größten Probleme, jemanden zu finden.

Das Problem heißt Boomregion München. Der Ausbildungsmarkt in Erding leidet unter der wirtschaftlichen Stärke der Region. Es gibt ein großes Angebot an Ausbildungsstellen in den von den Jugendlichen gewünschten Berufen. Und dank der zunehmenden Mobilität ist auch eine Arbeitsstelle außerhalb des Landkreises, vor allem in München, kein Problem. Für die Kids ist heute nicht mehr nur der Verdienst entscheidend oder Karriere zu machen (dann entscheidet man sich eh lieber nach dem ersten Schulabschluss in der Mittel- oder Realschule, weiter zur Schule zu gehen), sondern der Job muss einem Spaß machen, das Klima im Betrieb muss stimmen und der Arbeitsplatz muss sicher sein.

Und da konkurrieren die Erdinger Firmen mit Großunternehmen wie BMW, Microsoft oder anderen international tätigen Dienstleistungsfirmen, die ein gutes Image haben und oft auch noch gut bezahlen. Wer es sich aussuchen kann, wählt dann keinen Job, der nicht auf Montag bis Freitag beschränkt ist. Er will nicht am Wochenende oder abends arbeiten, wenn alle Freunde frei haben. Deshalb will auch fast keiner in der Gastronomie oder im Hotelgewerbe arbeiten. Das Image ist genauso schlecht wie bei den Pflegeberufen, wobei diese inzwischen auch dank besserer Verdienstmöglichkeiten besser dastehen. Doch Verdienst allein ist eben nicht mehr entscheidend.

Realistisch ist wohl nur, die Jugendlichen, die im "Traumberuf" aus verschiedenen Gründen keine Lehrstelle bekommen haben, doch noch für eine Ausbildung in einem eher ungeliebten Job zu begeistern. Dazu muss den Kids mehr durch Kurz- oder Langpraktika gezeigt werden, wie vielseitig und interessant der Beruf sein kann. Schöne Broschüren alleine reichen nicht. Wer ihnen dann im Praktikum nur die ungeliebten Hilfsarbeiten aufbürdet, muss sich nicht wundern, dass keiner den Job ergreifen will. Auch bei den Arbeitgebern muss ein Bewusstseinswandel stattfinden. Und bei den Eltern. Nicht immer ist ein Hochschulabschluss das allein selig machende. Aber viele Eltern trimmen ihre Kindern schon im Grundschulalter in Richtung Abitur und Studium.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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