Kirch dahoam für die ganze Welt:Gute Verbindung

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Das Streaming-Projekt Kirch dahoam des Pfarrverbands Maria Tading ist im ersten Lockdown entstanden und erweist sich als Erfolgsmodell

Von Regina Bluhme

Pfarrer Christoph Stürzer kann sich noch gut erinnern, wie er nach vielen Wochen Lockdown endlich wieder ein persönliches Taufgespräch führen durfte. Als er mit den Worten "Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen" begann, schüttelte die Familie den Kopf. "Wir sehen Sie fast jeden Sonntag", erhielt der Pfarrverbandsleiter von Maria Tading zur Antwort. Aber natürlich: Seit Beginn der Pandemie gab es im Rahmen des Projekts Kirch dahoam jeden Sonntag einen Live-Stream aus der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Die professionell gestalteten Youtube-Videos erhalten mitunter mehr als tausend Clicks, und diese führen inzwischen weit über den Landkreis hinaus, manchmal sogar bis nach Hawaii.

Das Headset war zu Beginn schon ein wenig gewöhnungsbedürftig, räumt Pfarrer Christoph Stürzer ein. Statt zu den Gläubigen direkt zu sprechen, musste er vor den leeren Kirchenbänken in die Kamera predigen. Als der erste harte Lockdown im vergangenen Jahr kam, da sei dem Seelsorgeteam klargewesen, "wir brauchen was, um den Leuten was an die Hand zu geben", sagt Pfarrer Christoph Stürzer. Der Name Kirch dahoam ist seine Idee. "Jeder sitzt daheim, und irgendwie wollten wir das kirchliche Leben aufrecht erhalten, nur halt unter einem anderen Vorzeichen." Eine Idee war, live aus der Pfarrkirche zu streamen. Das Team der Jugendkirche Forstern war mit technischem Know-How und Begeisterung sofort zur Stelle: Am Palmsonntag feierte das Streamen aus Maria Tading Premiere. Eineinhalb Jahre lang wurde seither jeden Sonntag der Gottesdienst aus Mariä Himmelfahrt in Tading übertragen, auch Maiandachten, Feiertage oder jüngst ein Jugendgottesdienst.

Der Regieraum des Kirch-Dahoam-Teams in der Pfarrkirche Maria Tading. Im Bild: Thomas Effenberger (rechts) hat die Bildschirme im Blick, Adrian Reuter ist fürs Mischpult zuständig. (Foto: www.kirch-dahoam.de /Stefan Miklos, (OH))

Die Videokonferenz mit Thomas Effenberger, Adrian Reuter und Saskia Scanner von der Jugendkirche Forstern ruckelt ein bisschen, zum Glück klappt das Streamen der Gottesdienste besser. "Wir sind relativ spontan an die Sache herangegangen", sagt Adrian Reuter. In eineinhalb Wochen habe das Technikteam der Jugendkirche das Equipment aufgebaut, so der Elektrotechnikstudent. "Allerdings waren wir da mehr in der Kirche als außerhalb", erinnert sich Thomas Effenberger, Student der Elektrotechnik. Wo die vier Kameras installieren? Wohin mit dem Mischpult, den Bildschirmen für die Regie? Und dann der Ton. Ziemlich schnell war klar, dass alle Sprecher und Sprecherinnen, Chormitglieder und Musizierenden ein eigenes Headset erhalten sollten. Schon aus Hygienegründen, aber auch für eine bessere Tonqualität. "Wir wollten nicht einfach ein Handy mit Kamera drauf halten", sagt Adrian Reuter. Nach dem zehnten Gottesdienst in immer der gleichen Kameraeinstellung könne schon mal ein "Ermüdungseffekt" eintreten. Nicht so in den technisch hochwertigen Youtube-Videos aus Maria Tading mit unterschiedlichen Perspektiven und Bildschnitten. Beim jüngsten Video war erstmals eine bewegliche Kamera im Einsatz. Zunächst hat das Team von der Empore aus gestreamt, doch dann wurde es neben der Orgel und dem Chor doch ein wenig eng. Jetzt haben Mischpult und Kameraregie ihren Platz in der oberen Sakristei gefunden. Inzwischen sind auch die vielen Kabel nicht mehr zu sehen, teils verlaufen sie jetzt über den Speicher, teils unterirdisch, so Pfarrer Stürzer.

Pfarrer Christoph Stürzer. (Foto: Renate Schmidt)

Saskia Stanner ist für den Bereich Liturgie zuständig. Das Besondere der Streaming-Gottesdienste aus Maria Tading sind die Online-Fürbitten. Wer will, kann eine während des Gottesdienstes online abschicken, eine eigene Redaktion bereitet sie auf, "das Team überträgt sie, und wenn es möglich ist, wird sie live eingebaut und vorgelesen", erklärt Saskia Stanner, die gerade ihr Studium der globalen Kommunikationswissenschaft abschließt.

Die Resonanz ist gewaltig und auch die Unterstützung. Die technische Ausstattung ist rein aus Spenden finanziert, wie Pfarrer Stürzer betont. Zwischen 300 bis 1000 Clicks werden pro Gottesdienst gezählt, bei der Christmette im vergangen Jahr sogar weit mehr als 1000. Dabei sitze hinter jedem Click mehr als eine Person, meiste werde mindestens zu zweit der Gottesdienst verfolgt. Somit dürften die Zahlen oft mehrere tausend betragen. Die meisten User stammen aus den Landkreisen Erding und Ebersberg, die Streaming-Gottesdienste werden aber auch "gut verteilt rund um München" und bis in den Schwarzwald gesehen, so Stürzer. Sogar in Hawaii gibt es einen Zuschauer, der ganz im Sinne von Kirch dahoam vorm Bildschirm den Gottesdienst in der Heimat mitfeiert. Effenberger wiederum weiß von Kontakten bis nach China und Japan.

Thomas Effenberger und Adrian Reuter sind mit dem Einrichten der Technik beschäftigt. (Foto: Annika Wagner/oh)

So viele Zuhörer und Zuhörerinnen schaffen es unter normalen Umständen nicht in den Gottesdienst. Corona habe der Kirche diesbezüglich ganz neue Möglichkeiten eröffnet, sagt Pfarrer Christoph Stürzer. Die Homepage www.kirch-dahoam.de ist ein vielschichtiges Projekt des Pfarrverbands Maria Tading. Auf der Seite gibt es auch aktuelle Informationen zum kirchlichen Leben, spirituelle Impulse sowie Modelle für Hausgottesdienste. Die Pfarrei Maria Tading bietet einen Kirch dahoam-Newsletter an und einen Nachrichtenservice per Whatsapp. Das Engagement von Kirch dahoam ist in der Erzdiözese München-Freising ziemlich einmalig. Vor kurzem hat Erzbischof Reinhard Marx dem gesamten Team die Korbiniansmedaille überreicht.

Eineinhalb Jahre lang hat die Jugendkirche Forstern jeden Sonntag die Messe gestreamt, jetzt stehen viele der Mitglieder wie Effenberger, Reuter und Stanner kurz vor ihrem Studienabschluss. Sie müssen kürzer treten. Auf jeden Fall wird die Christmette an Heiligabend - wie schon 2020 - live um 23 Uhr auf www.kirch-dahoam.de mit Pfarrer Christoph Stürzer übertragen, aus einer mit 500 Kerzen illuminierten Kirche und mit einer Lichtinstallation aus 40 Scheinwerfern. Die Zuschauer und Zuschauerinnen daheim erwartet also wieder ein aufwendig gemachtes Video, das womöglich auch in Hawaii angeklickt wird.

© SZ vom 24.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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