Kein Interesse in Erding:Leere im Beichtstuhl

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Die Beichtstühle im Landkreis Erding werden nur selten besucht, wie hier in der Pfarrkirche St. Johannes. (Foto: Renate Schmidt)

Seine Sünden zu gestehen, ist sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche verankert. Anders als in der anonymen Großstadt suchen im Landkreis immer weniger Menschen das Gespräch mit dem Pfarrer

Von Regina Bluhme, Erding

Es ist der Klassiker unter den Filmszenen: Im dunklen Beichtstuhl erfährt der hinter einem Gitter verdeckte Priester von einer Verfehlung. Im Pfarrverband Erdinger Moos bekommt Pfarrer Philipp Kielbassa größere und kleinere Sünden eher selten zu hören, denn die Gelegenheit zum Beichten nehmen nur noch wenige wahr. Auch in den Wochen vor Ostern, der traditionellen Zeit der Buße, hält sich im Landkreis der Andrang in Grenzen. Womöglich bevorzugen einige Erdinger aber auch die Anonymität der Großstadt. In München zum Beispiel sind in der Karwoche Warteschlangen vor den Beichtstühlen keine Seltenheit.

In der katholischen Kirche gehört die Beichte zu den sieben Sakramenten. "Offiziell wird sie das Sakrament der Versöhnung genannt", sagt Monsignore Thomas Schlichting, Ressortleiter Seelsorge und Kirchliches Leben im Ordinariat der Erzdiözese München-Freising. Die sogenannte Ohrenbeichte, also das Gespräch unter vier Augen, "hat sich früh entwickelt, seit dem Mittelalter galt es als Mindestanforderung an den katholischen Christen, einmal im Jahr eine Eucharistiefeier zu besuchen und vorher zur Beichte zu gehen. Heute wird das Sakrament nicht mehr als Pflicht eingefordert", sagt Schlichting.

Die Zeiten haben sich also geändert. Zur Gemeinde von Pfarrer Kielbassa gehören fünf Ortskirchen, aber nur in Schwaig und Niederding bietet er einmal im Monat die Beichte an. Die Kirche in Oberding zum Beispiel besitzt seit der Kirchenrenovierung gar keinen Beichtstuhl mehr. Philipp Kielbassa erinnert sich noch gut an seine erste Kaplanstelle. Da habe er sich beim ersten Mal im Beichtstuhl ein Buch mitgenommen, um die Wartezeit zu überbrücken. "Ich bin nicht zum Lesen gekommen, so stark war der Andrang." Heute hat er ausreichend Zeit für Lektüre. "Gerade in kleinen Gemeinden gehen nur noch sehr weniger zur Beichte, auch in der Osterzeit", weiß der Seelsorger.

In der Großen Kreisstadt Erding sieht es nicht viel besser aus, berichtet Pfarrer Martin Garmaier vom Pfarrverband Erding-Langengeisling: "Die Zahlen sind sehr stark zurückgegangen." Doch das muss nicht heißen, dass die Landkreisbewohner gar nicht mehr beichten. "Ich denke, dass einige auch lieber anonym in Großstädten wie München zum Beichten gehen", sagt Pfarrer Kielbassa. "In der vorösterlichen Zeit ist zum Beispiel in Münchner Kirchen wie dem Dom oder der Theatinerkirche schon zu bemerken, dass mehr Gläubige zur Beichte gehen", bestätigt auch Monsignore Schlichting. Bis zu einer Stunde Wartezeit könne schon mal vorkommen, so Kielbassa.

Ein Grund für den Rückgang der Beichten sieht Pfarrer Garmaier in einem "veränderten Verständnis" der katholischen Christen. "Viele denken: Was bringt mir das eigentlich, und empfinden die Beichte eher als Sanktion der Kirche", vermutet er. So mancher Christ habe auch schlechte Erfahrungen beim Beichtgespräch gemacht, sagt sein Amtskollege Kielbassa. "Da ist in der Vergangenheit auch viel falsch gemacht worden." Ruppige Pfarrer, die zu Schimpfen angefangen hätten - das gebe es heute nicht mehr. "Die Zeiten, in denen Priester die Gläubigen mitunter mit dem großen moralischen Zeigefinger behandelt haben, sind vorbei", betont Monsignore Schlichting.

Pfarrer Garmaier hält die Beichte persönlich für "ein wertvolles Sakrament", dessen Betonung auf der Versöhnung liege. "Wir erleben, dass Gott uns verzeiht. Das ist ein schönes Gefühl." Niemand müsse heute mehr die zehn Gebote abklappern, sagt Pfarrer Kielbassa. Wer zur Beichte komme, könne alles sagen, was er auf dem Herzen habe. "Hier erfährt er auch Zuspruch und hat dann vielleicht die Kraft, manche Situation besser und erleichtert anzugehen."

Auch in der evangelischen Kirche gibt es die Beichte. "Luther hat nur die Pflicht für die Beichte abgeschafft", erklärt Andrea Oechslen, Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirchen in Erding. Allerdings betone die evangelische Kirche, dass die Vergebung der Sünden auch ohne Vermittlung der Kirche möglich sei. Die Beichte gibt es daher auch in Form eines persönlichen Gebets mit Gott. Zudem finden gemeinsame Gebete in den Beichtgottesdiensten statt, aber auch Einzelgespräche mit einem Pfarrer oder eine Pfarrerin sind möglich. "Auch hier gilt dann natürlich das Beichtgeheimnis", so Oechslen.

Sowohl im evangelischen Konfirmations- als auch im katholischen Erstkommunionsunterricht wird die Beichte thematisiert. Erst vor Kurzem haben die Kommunionskinder ihre Erstbeichte hinter sich gebracht. Ursula Dietz-Huber ist katholische Religionslehrerin an der Grundschule am Grünen Markt in Erding und hat die Schüler darauf vorbereitet. Natürlich würden dabei auch die zehn Gebote gesprochen, im Mittelpunkt aber stehe ein Kompass, der vier Richtungen anzeige: "Wie ich mit Gott, mit mir selbst, mit der Umwelt und den Mitmenschen umgehe", sagt Dietz-Huber.

Wie die Religionslehrerin weiter berichtet, fand die Erstbeichte nicht im Beichtstuhl statt, sondern von Angesicht zu Angesicht, "im lockeren Gespräch". In der Gemeinde von Pfarrer Kielbassa wurde die Erstbeichte im örtlichen Kinderhaus abgehalten. "Eine helle, freundliche Atmosphäre macht schon etwas aus", ist Kielbassa überzeugt. Selbst im altehrwürdigen Münchner Dom hat man die Zeichen der Zeit erkannt: Wer will, kann sich ganz traditionell im Beichtstuhl hinknien und vor dem Gitter sprechen. Man kann aber auch um den Beichtstuhl herumgehen und mit dem Priester mit Blickkontakt an einem Tisch reden.

"Die Beichte sollte kein Zwang, sondern ein gutes Angebot sein", betont Eva-Maria Stockheim, katholische Jugendseelsorgerin für den Landkreis Erding. Passe das Angebot, dann sei auch bei Jugendlichen durchaus Interesse vorhanden. Stockheim erzählt, dass es bei katholischen Jugendfestivals immer auch eine Beichtgelegenheit gäbe. Und die würde durchaus angenommen.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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