Jung und alt gemeinsam:Über Alternativen nachdenken

Lesezeit: 2 min

Freie Wähler in Erding informieren über generationenübergreifendes Wohnen

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

Familien mit jungen Kindern, Alleinstehende, Paare, ältere Menschen - sie sollen alle unter einem Dach leben. Generationenübergreifendes Wohnen ist Chance und Herausforderung, für Menschen und Städte gleichermaßen. Dass sie mit viel Engagement und einer Planung, an der jeder von Anfang an beteiligt ist, gelingen kann, zeigt das Münchner Projekt "Wagnis vier". Bei einer Podiumsdiskussion der Freien Wähler (FW) Erding wurde diese Form des Wohnens am Mittwoch vorgestellt. Vor dem Hintergrund der angespannten Situation auf dem Immobilienmarkt und der freien Baufläche südlich des Thermengartens lohne es sich, über Alternativen nachzudenken, so der Tenor der FW.

Renate Hanauer lebt in der 2014 errichteten Anlage in unmittelbarer Nähe zum Olympiazentrum. Das nachbarschaftliche Verhältnis sei über die Generationen hinweg intensiv und von gegenseitiger Hilfe geprägt, sagte die ältere Frau. Wie Architekt Kai Krömer erklärte, spiegle sich das auch im Grundriss der Anlage wider. Von Stockwerk zu Stockwerk wechseln sich große Familienwohnungen mit Ein-Zimmer-Appartements und Lofts ab. Alle Wohnungen sind über einen Laubengang, Krömer zufolge "eine Art durchgehender Balkon", miteinander verbunden. Aus Hanauers Sicht ist der Erfolg auf die fehlende Anonymität unter den Bewohnern zurückzuführen. Denn wer in der Anlage lebt, müsse Mitglied in der Baugenossenschaft Wagnis sein; und genieße dort lebenslanges Wohnrecht. Eine Besonderheit ist, dass die Genossenschaft gleichzeitig wie eine Baugemeinschaft funktioniert. Das bedeutet, die Mitglieder haben während der Planung Ziele formuliert und umgesetzt. So sind alle 55 Wohnungen barrierefrei, es gibt Gästeappartements und Gemeinschaftsräume, aber auch einen Kiosk und einen Pflegestützpunkt. Mit Wagnis sei so ein neues Viertel inmitten der Millionenstadt München entstanden, sagte Krömer.

"Wenn in den vergangenen Jahren in Erding gebaut wurde, dann im Hochpreissegment", sagte Rudolf Thalmeier. Er nannte einige Daten aus dem Bericht der Immobilienmarktforscher des IVD-Instituts. Zwischen 2009 und 2014 sei demnach der Preis für Mietwohnungen um 14 Prozent gestiegen. Im Durchschnitt liege der Quadratmeterpreis nun bei 10,53 Euro. Noch gravierender sei der Anstieg bei den Kaufpreisen gewesen. So habe 2015 ein frei stehendes Einfamilienhaus im Vergleich zu 2010 51 Prozent mehr gekostet. Bei Eigentumswohnungen hätte sich sogar eine Steigerung von 64 Prozent ergeben.

Für den Landtagsabgeordneten Benno Zierer (FW) stünden die Kommunen daher nicht erst seit der Zuwanderung von Flüchtlingen vor enormen Aufgaben. Wie sollten Gemeinden reagieren, wenn bei Sozialwohnungen die Mietpreisbindung auslaufe? Wie ließe sich Gentrifizierung verhindern? Zierer mahnte, dass Grundstücke zu teuer seien oder Kommunen sie nicht für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellten. Förderungen von Bund und Ländern reichten nicht aus, Bauherren müssten sich durch einen "eklatanten Vorschriftendschungel" kämpfen.

Petra Bauernfeind, Fraktionsvorsitzende der FW im Erdinger Stadtrat, erläuterte das Einheimischenmodell sowie die Idee der sozialen Bodennutzung (Sobon). Als "Licht am Ende des Tunnels" bezeichnete sie das Konzept der Baugemeinschaften. Diese ermöglichten individuell angepasstes Bauen, sowohl was die Anzahl der Wohnungen angehe als auch die Wünsche der Interessenten. Bauernfeind war überzeugt, dass auf der Fläche am Thermengarten neben den geplanten Wohnungen der Baugenossenschaft und der landkreiseigenen Wohnungsbaugesellschaft auch noch Platz für Gemeinschaftsprojekte ist. Freilich sei die Stadt dafür auf positive Rückmeldungen und Zuspruch aus der Bevölkerung angewiesen.

© SZ vom 17.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: