Jugendparlament:Eine nahezu unmögliche Aufgabe

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Jugendliche für eine aktive Mitarbeit an ihrer Interessenvertretung in der Stadt zu begeistern, ist nicht einfach. Politische Debatten haben es gegen Partys schwer. Viele sind auch mit Schule oder Ausbildung ausgelastet

Von Katharina Schmidl und Antonia Steiger, Erding

Im Oktober ist es wieder soweit: Alle Jugendlichen aus Erding dürfen dann zum vierten Mal ein Jugendparlament wählen, das sich in den folgenden zwei Jahren für die Interessen und Anliegen der Jugend einsetzen soll. Denkbar ist, dass das Jugendparlament eigene Ideen in den Stadtrat einbringt, über die dann abgestimmt wird. Bislang aber ist es weder diesem Jugendparlament noch einem der Vorläufer gelungen, sich auf einen Antrag zu einigen, den man in den Erdinger Stadtrat hätte einbringen können. Es gibt aber auch kaum Jugendliche, die sich mit ihren Wünschen an das Jugendparlament wenden. Nelson Berger, Mitglied des Jugendparlaments, bestätigt, dass die Arbeit wenig Resonanz bei den jungen Erdingern findet - trotz Werbung und Internetpräsenz.

Seit etwa einem Jahr ist der 22-jährige Nelson Berger einer der 13 Parlamentarier. Er rückte nach, nachdem ein anderer Vertreter ausgeschieden war. Aber auch er wird nicht noch einmal kandidieren, wie er sagt, weil er bei verschiedenen Projekten und in seiner Ausbildung voll eingespannt sei. Über die Arbeit des Jugendparlaments sagt er, dass in den Sitzungen viel "über Erding und dessen Zukunft" diskutiert, vor allem wie sich die Jugendlichen die Zukunft konkret vorstellen. Mit diesen Diskussionsrunden sei jedoch erst begonnen worden, sie sollen in der neuen Amtsperiode fortgeführt werden. Konkrete Ergebnisse sind vorerst noch nicht zu erwarten. Denn bis zum Herbst beschränkten sich die Aktivitäten des jetzigen Gremiums auf die Vorbereitung der Wahl des neuen Parlaments. Neben den Diskussionsrunden gab es allerdings auch konkrete Projekte, zum Beispiel ein Konzert "verschiedenster Jugendlicher und junger Künstler aus Erding und München", sagt Nelson Berger. Bei dem Konzert an der Mittelschule am Lodererplatz waren Rapper, Sänger und andere Musiker aufgetreten. Das Konzert stand unter dem Motto "Farbe bekennen" und stand wie der CSD München für die Haltung, dass Menschen aller Kulturen und Religionen als gleich wertvoll zu betrachten seien.

Bei Verbesserungswünschen, zum Beispiel für bessere Freizeitmöglichkeiten, können sich die Erdinger Jugendlichen an die Parlamentarier wenden - über Briefkästen an den Schulen, über die offizielle Facebookseite und im Jugendzentrum in Erding. Im Café Orange des Jugend- und Kulturhauses Sonic können sie sich auch direkt an sie wenden und an diversen Diskussionsrunden teilnehmen.

Doch zum Bedauern des Jugendreferenten Hubert Sandtner (CSU) und der Mitglieder des Jugendparlaments ist die Wahlbeteiligung und das Interesse der Erdinger Jugendlichen nach wie vor sehr gering. Die meisten Jugendlichen in Erding lebten "in Wohlstand", sagt Nelson Berger. Sie hätten offenbar keine Probleme und daher wohl auch keine Verbesserungswünsche. Es sei auf der einen Seite natürlich positiv, sagt Nelson Berger, dass es anscheinend nichts an Erding auszusetzen gebe. Auf der anderen Seite wichen die Jugendlichen politischen und ethischen Debatten aus. Die "nächste Party" sei nun einmal wichtiger, als sich mit politischen Fragen oder sich mit der Verbesserung von Problemen in und um Erding zu beschäftigen. Es bestehe "also einfach zu wenig Interesse" von Seiten der Jugend. Immer wieder versuchten alle Beteiligten, das Interesse der Jugend zu wecken. Es erweise sich aber als eine "nahezu unmögliche Aufgabe", sagt Nelson Berger.

Ob, wann und auf welche Art und Weise ein neu gewähltes Gremium tätig wird, erscheint ungewiss. Bevor das neu zusammengestellte Jugendparlament konkrete Anträge an den Stadtrat stellen könne, müsse es erst "auf einen gemeinsamen Nenner kommen", sagt Berger. Das sei notwendig für eine vernünftige Zusammenarbeit, da die jungen Leute bunt gemischt sind und sich zunächst kennen lernen sollen. Nicht auszuschließen dürfte aber auch sein, dass die Erdinger Stadtpolitik bei weiterhin anhaltendem Desinteresse der Erdinger Jugendlichen an den Wahlen und an der Arbeit des Jugendparlaments diese Einrichtung insgesamt wieder zur Debatte stellt. Die Suche nach interessierten Kandidaten dürfte daher im Augenblick die wichtigste Aufgabe der Jugendparlamentarier sein.

© SZ vom 23.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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