JFG Erding:Schwere Turbulenzen im Jugendfußball

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Die JFG Sempt Erding hat in der Winterpause zwei Trainer von ihren Aufgaben entbunden. Deswegen haben zehn Junioren den Verein verlassen. Sie trainieren mittlerweile alle wieder, die Erwachsenen streiten vor Gericht weiter

Von Antonia Steiger, Erding

Die Jugendfördergemeinschaft Sempt Erding ist ein wunderbares Gebilde: Fünf Erdinger Fußballvereine führen dort ihre Jugendarbeit zusammen, um größere Erfolge zu erzielen, als ihnen alleine möglich wäre. Sind die Spieler dem Juniorenalter entwachsen, kehren sie idealerweise zu ihren Stammvereinen zurück und kicken dort als Erwachsene weiter. Jetzt aber erbebt der Verein, der als gutes Beispiel dafür dienen könnte, dass man Fußball nicht durch die Vereinsbrille sehen muss, unter einem Streit, in dessen Mittelpunkt Hans Egger steht. Egger hat die Gründung der JFG Sempt Erding mitangeschoben, er stand neun Jahren an ihrer Spitze und sitzt auch für die Gruppierung "Erding jetzt" im Stadtrat. Nun sieht sich Egger mit einer Unterlassungserklärung konfrontiert: Im Streit um das frühere Trainerduo bei den B1-Junioren hat Egger Äußerungen getätigt, deren Wiederholung ihm gerichtlich verboten wurden. Auch der Verein leidet: Zehn Spieler haben ihm den Rücken gekehrt.

Am 12. Dezember 2016 fiel eine folgenschwere Entscheidung: Der JFG-Vorstand um Hans Egger beschloss, die beiden Trainer der B 1-Junioren durch einen anderen zu ersetzen. Nicht weil die Mannschaft erfolglos war, sondern weil man "noch mehr" mit "qualifizierten Trainern" zusammenarbeiten wolle, um der "Gefahr" entgegenzuwirken, dass zum Saisonende Spieler den Verein verlassen. So steht es im Protokoll der Vorstandssitzung. Welche Signale es gegeben habe, dass Spieler weggehen wollten, bleibt unklar. Egger sagt, so was spüre man. Und er weist darauf hin, dass in den dreieinhalb Jahren, in denen das Trainerduo tätig war, sechs bis acht Spieler den Verein verlassen hätten.

Die beiden Trainer stammen aus Moosinning. In ihrem Team spielen nicht nur Erdinger, sondern auch Jugendliche aus Moosinning, Neuching und Bockhorn. Und das, so scheint es, ist das eigentliche Problem. Der Vorstand gerate dadurch in Erklärungsnot, sagt Egger. Denn die Stammvereine, die ihre Jugendarbeit an die JFG delegiert haben, wollen, dass ihre eigenen Jugendlichen gefördert werden, damit sie später für die Herrenteams Tore schießen. Auch Egger sagt das: "Wir wollen die Erdinger Jugendlichen ausbilden."

Was die Stammvereine - Rotweiß Klettham, SpVgg Eichenkofen, FC Erding, FC Langengeisling und Türk Gücü - gar nicht wollen: dass ihre Jugendlichen auf der Bank sitzen und die anderen spielen. Wenn man sich im Erwachsenenbereich dann wiedertrifft, besteht die Gefahr, dass ein Erdinger Verein von einem Nachbarverein eine Klatsche kassiert, in dessen Reihen Spieler stehen, die einige Jahre zuvor bei der JFG ausgebildet worden waren.

Die JFG Sempt Erding sei in eine Abhängigkeit von den Trainern geraten, sagte Egger. Von Trainern, die sich nicht genügend auf die Ausbildung der Erdinger Jugendlichen fokussiert hätten. Die Trennung sei daher richtig gewesen. Mittlerweile aber ist eingetreten, was Egger unbedingt verhindern wollte: Zehn Jugendliche haben den Verein verlassen und sind ihren Trainern gefolgt, alle trainieren jetzt in Moosinning.

Die sportliche Situation scheint einigermaßen geklärt, doch gerichtlich hängt alles noch in der Schwebe: Als die Trainer Anfang des Jahres von dem Vorstandsbeschluss erfahren und gehört hatten, sie sollten sich nun ins zweite Glied zurückziehen, erklärten sie ihren kompletten und sofortigen Rückzug aus dem Verein. Sie beklagten einen "massiven Vertrauensbruch", weil niemand vorher mit ihnen geredet habe. Und sie betonen, dass "keiner der Spieler aufhören" hätte wollen, wie von Egger behauptet.

Egger suchte daraufhin den Kontakt zu den Junioren. Er erklärte ihnen, dass ein Trainerwechsel etwas völlig Normales sei und kündigte ihnen an, dass sie einen tollen neuen Trainer bekämen. Sogar der Aufstieg sei möglich. Dies alles steht in E-Mails, die der SZ vorliegen. Als sich zeigte, dass nicht nur einige auswärtige Spieler ihren Trainern folgen wollen, sondern auch vier gebürtige Erdinger, richtete Egger Mails an diese vier.

Darin verunglimpfte er einen der beiden scheidenden Trainer. Er behauptete, der Trainer habe die Spieler unter Druck gesetzt. Wer ihn kritisiere, fliege aus der Mannschaft. Es täte ihm leid, dass er "so viel dreckige Wäsche" waschen müsse, schrieb Egger und informierte die Jugendlichen des Weiteren über Jahre zurückliegende wirtschaftliche Probleme ihres Trainers. Ein Vorgang, der die Situation zum Eskalieren brachte und den Egger mittlerweile auch selbst als großen Fehler betrachtet, wie er sagte. Vom Vorsitz bei der JFG Sempt Erding hat er sich deswegen bereits zurückgezogen. Auch Eltern schalteten sich nach diesem Schreiben ein, Beschimpfungen gingen per E-Mail hin und her. In einer Mail an den scheidenden Trainer titulierte Egger ihn sogar als "Psychopathen", der "eine ganze Fußballmannschaft, bestehend aus 15- und 16-Jährigen, rücksichtslos manipuliert und alle belügt". Auch wegen dieser Mail sah man sich nun vor Gericht wieder.

Der Trainer erwirkte am Amtsgericht Erding eine Unterlassungserklärung. Und er stellte Strafanzeige wegen übler Nachrede und Beleidigung. Egger darf diese Worte nicht wiederholen, das hat das Amtsgericht Erding am 14. Februar festgestellt und bei Zuwiderhandlung mit einer Geldstrafe gedroht. Egger darf auch den Vorwurf des Rassismus nicht mehr erheben: Er hatte behauptet, der Trainer habe sich öffentlich damit gebrüstet, Spieler mit türkischen Wurzel aus dem Verein geekelt zu habe. Das streitet der Trainer ab und verweist darauf, dass unter den Spielern, die nach seinem Rückzug die JFG Sempt Erding ebenfalls verlassen haben, auch Spieler mit Migrationshintergrund seien. Sie folgten ihm nach Moosinning.

Es beginnt der nächste Akt - und der letzte, wie Egger eigenen Angaben zufolge hofft. Die Unterlassungserklärung hat er nicht unterzeichnet und stattdessen Berufung eingelegt. Sein Ziel: Er möchte, dass der Trainer im Gegenzug eine Strafanzeige wegen Beleidigung und übler Nachrede zurückzieht, wie er sagt. Dann solle wieder Ruhe einkehren, auch im Verein. In wenigen Tagen soll ein neuer Vorsitzender bestimmt werden, der die Arbeit bis zur regulären Neuwahl im Herbst fortführt.

Unterdessen spielen die Jugendlichen wieder Fußball. Die B 1 und die B 2 bei der JFG Sempt Erding trainieren gemeinsam, wie es der Verein laut Egger schon länger gewünscht hat. Beide Mannschaften könnten trotz der Abgänge ihre Rückrunden bewältigen. Die zehn Jugendlichen aber, die im Zuge dieser Vorgänge die JFG verlassen haben, nehmen in der Rückrunde an keinem Punktspiel mehr teil. Sie wurden von der JFG zunächst für sechs Monate gesperrt. Eine Sperre, die der Fußballverband zwar so vorgesehen hat, die aber nicht zwingend ist. Der abgebende Verein kann auch darauf verzichten. Egger sagt, er habe die Spieler mit der Androhung dieser Sperre beim Verein halten wollen, das ist ihm offenbar nicht geglückt. Im Übrigen können die Stammvereine die Sperre auf drei Monate reduzieren. Rotweiß Klettham hat das bereits getan.

Sperre hin oder her, für die Jugendlichen ist das nicht mehr wichtig: Nur weil die Spieler es so gewollt hätten, betonten die Trainer, bieten sie ihnen unter dem Dach des FC Moosinning wieder ein regelmäßiges Training an. Und sie haben zudem eine Rückrunde außer Konkurrenz zusammengestellt, sodass die Jugendlichen nun an jedem Wochenende ein Trainingsspiel gegen teils ältere, teils auch höherklassige Teams aus der Umgebung absolvieren.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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