Interview zum Abschied:"Wir können zusammen etwas bewirken"

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Pfarrer Daniel Tenberg wird nach knapp 13 Jahren demnächst die evangelisch-lutherische Pfarrgemeinde Erding verlassen. (Foto: Stephan Görlich)

Der evangelische Pfarrer Daniel Tenberg wechselt von der Seelsorge in den Pfarrerverein, der die Interessen seiner Kollegen vertritt. Besondere Erinnerungen wird er von den 13 Jahren in Erding an die gelebte Ökumene behalten

Interview von Regina Bluhme

Auf dem Schreibtisch von Pfarrer Daniel Tenberg steht neben Laptop und Sprechanlage ein schwarzes Telefon, Baujahr 1948, mit Wählscheibe. Das gute Stück hat er vor längerem geschenkt bekommen. Es funktioniert einwandfrei und kommt auf jeden Fall mit, wenn der 56-Jährige nach knapp 13 Jahren demnächst die evangelisch-lutherische Pfarrgemeinde Erding verlässt. Tenberg wurde zu einem der beiden Vorsitzenden des Pfarrervereins gewählt und fungiert nun für ganz Bayern ähnlich wie ein Personalrat als Interessensvertreter seiner Kollegen. Am Sonntag, 12. Februar, wird um 16 Uhr in der Auferstehungskirche der Abschiedsgottesdienst gefeiert. Ein Gespräch mit Pfarrer Tenberg über seine neue Aufgabe, die vergangenen 13 Jahre und die Rolle der evangelischen Kirche im Landkreis Erding. Süddeutsche Zeitung: Herr Pfarrer Tenberg, man hört es Ihnen noch ganz leicht an: Sie haben nicht immer in Oberbayern gewohnt.

Daniel Tenberg: Stimmt. Ich bin in Mittelfranken und Baden-Württemberg aufgewachsen. Mein Vikariat habe ich aber in Oberbayern, in Gräfelfing, absolviert. Dann war ich 13 Jahre in Bayreuth, zunächst als Gemeindepfarrer und dann als Referent des Regionalbischofs. Im Anschluss ging es nach Erding, wieder für 13 Jahre. Ich kann also sagen, dass ich eine Hälfte meines Dienstlebens in Oberfranken und die andere Hälfte in Oberbayern verbracht habe.

Und wohin geht es jetzt?

Offiziell trete ich zum 1. März meine Stelle als Zweiter Vorsitzender im Pfarrerverein an. Noch ist offen, wo ich hinziehe. Im Pfarrhaus kann ich leider nicht mehr wohnen, denn da zieht ja mein Nachfolger ein.

Welche Aufgaben warten auf Sie?

Den Pfarrerinnen- und Pfarrerverein könnte man als eine Art Standesvertretung der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Bayern bezeichnen. Eine Mischung aus Gewerkschaft, die es ja in den Kirchen nicht gibt, und Gesamtpersonalrat. Insgesamt hat der Verein 3000 Mitglieder - fast alle evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer. Ich bin zuständig für den Bereich Nordbayern. Es geht vor allem darum, die Belange der Pfarrerschaft und damit auch der Gemeinden gegenüber dem Dienstgeber zu vertreten und in dienstrechtlichen oder disziplinarischen Fragen zu beraten. Zum Beispiel, wenn es Konflikte gibt wegen der Elternzeit oder Pfarrer im Ruhestand Probleme mit den Rentenbezügen haben. Es ist viel juristische, aber auch seelsorgerische Arbeit gefordert.

Mussten Sie sich auf die neue Aufgabe besonders vorbereiten?

Teils, teils. Die Sachkenntnis aus meiner Referentenzeit in Bayreuth kann ich gut verwenden. Der Umgang mit Kirchengesetzen ist für mich nichts Neues. Aber in etliche Dinge muss ich mich noch nach und nach einarbeiten.

Sie vertreten künftig die Interessen der Pfarrer. Personalprobleme plagen nicht nur die katholische Kirche, sondern auch die evangelische. Immer weniger wollen Pfarrer werden.

Noch stehen wir im Vergleich zu den Katholiken etwas besser da, aber auch bei uns sind die Studierendenzahlen seit Jahren sehr niedrig. Dazu kommt, dass in den nächsten zehn Jahren eine riesige Pensionierungswelle auf uns zukommt. Das heißt: In 15 Jahren haben wir nur noch halb so viele Pfarrer wie jetzt. Das wird eine der großen Herausforderungen sein, wie die Kirche mit dem Pfarrermangel umgeht und wie man die Arbeitsbelastung in einem zumutbaren Rahmen hält.

Bei der katholischen Kirche wird der Priestermangel mit dem Zölibat und der Rolle der Frau begründet. Aber bei Ihnen dürfen Pfarrer heiraten und Frauen Bischöfinnen werden. Woran liegt es bei der evangelischen Kirche?

Ich denke, dass der Zölibat nur ein kleiner Teil des Problems ist. Auch die Abschaffung wird nicht die Lösung für die katholische Kirche sein. Es ist einfach so, dass die sozialen Berufe, und dazu zähle ich auch den Dienst eines Pfarrers, einer Pfarrerin, zur Zeit einfach nicht die große Konjunktur haben. Im Vergleich zum Arbeitsaufwand - und im Moment sprechen wir von einer 60-Stunden-Woche mit Wochenendarbeit - kann man die Bezahlung nur mittelmäßig nennen. Natürlich wird niemand Pfarrer wegen des Verdiensts allein, es gehört vor allem die innere Berufung dazu. Aber dennoch darf das Amt letztendlich nicht auf Kosten der Gesundheit gehen.

Nicht nur Pfarrer fehlen. Im Landkreis Erding gibt es auch immer mehr Kirchenaustritte. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Es ist leider richtig, dass im Landkreis viele evangelische Christen austreten. Ich erkläre mir das zum Teil mit dem großen Zuzug, den wir hier haben. Viele Zuzügler sind auch Häuslebauer, und da muss man aufs Geld schauen. Viele sparen dann an der Kirchensteuer. Einige haben durch den Wegzug aus der Heimatgemeinde vielleicht auch den Bezug zur Kirche verloren und fühlen sich dann an die Kirche hier in Erding nicht so angebunden. Wir bekommen aber auch keine Rückmeldung, was wir konkret in unserer Arbeit falsch machen. Deswegen habe ich da wenig Anhaltspunkte. Unsere Antwort ist, dass weiterhin möglichst viele Leute möglichst gute Arbeit machen.

Über wie viel Personal verfügen Sie?

Unsere Kirchengemeinde ist sehr groß mit drei Pfarrern und einer Pfarrerin, einer Religionspädagogin und einer Kantorin. Dazu kommen zwei Sekretärinnen im Büro, Hausmeister und Reinigungsdienste, ein Kindergarten mit vier Gruppen, ein Kirchenvorstand und zahlreiche Gruppen und Kreise, etwa 300 Ehrenamtliche im engeren Kreis. Das bedeutet viel Arbeit im Team, viele Absprachen und vor allem gelebte Kollegialität. Das war auch einer der Gründe, die mich nach Erding gelockt haben.

Heuer feiert die Kirche "500 Jahre Luther". Wie würden Sie das Verhältnis zur katholischen Kirche vor Ort beschreiben?

Hervorragend. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Ich muss sagen, eines der Highlights für mich hier ist die gelebte Ökumene, das Gefühl, dass wir zusammen etwas bewirken können. Wir 5000 evangelischen Christen im Landkreis sind natürlich gegenüber den gut 15 000 Katholiken klar in der Minderzahl. Aber ich muss sagen, dass wir uns immer gleichberechtigt behandelt fühlen. So sind wir auch immer bei Einweihungen oder Grundsteinlegungen eingeladen. Ich habe schon das Gefühl, dass man uns ernst nimmt.

Was macht den Unterschied zur katholischen Kirche aus?

Ich würde sagen, die evangelischen Christen legen im Gottesdienst mehr Wert auf das Wort. Wir haben nicht die Fülle der katholischen Liturgie. Die Predigt spielt bei uns eine größere Rolle, da hören wir immer ganz genau hin. Und man bekommt auch immer ein Feedback. Wenn ich gar keinen Kommentar höre, ist das sehr selten.

Wenn Sie an die 13 Jahre in Erding denken: Was waren die größten Herausforderungen im Positiven und Negativen?

Es gab so vieles Positives und Schönes, da kann ich keine einzelne Situation herausgreifen. Eine der größten Herausforderungen war sicher der Neubau des Gemeindezentrums in Altenerding. Als geschäftsführender Pfarrer bin ich ja juristischer Vertreter der Gesamtgemeinde. Mit so einem Bau habe ich auch Neuland betreten, und ich musste mich einarbeiten. Manchmal drückte die Verantwortung schon. Aber ich denke, uns ist ein wirklich bemerkenswertes Gebäude gelungen.

Mit welchen Gefühlen nehmen Sie Abschied?

Natürlich ist eine Trauer in mir. Ich bin mit Erding verwachsen und mit sehr, sehr vielen Menschen verbunden. Das wird mir sehr fehlen. Aber ich muss auch sagen, dass es mich sehr gefreut hat, dass ich mit 97 Prozent zum zweiten Vorsitzenden des Pfarrervereins gewählt worden bin. So einen Ruf kann man nicht ablehnen.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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