Integration in der Küche:Fleischpflanzerl mit Minze

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Hatice Yavüz (links) und Nazli Ardak (rechts) zeigen der Altenerdinger Schulleiterin Karin Rausch worauf es bei der Zubereitung von Lahmacun ankommt. (Foto: Renate Schmidt)

Ein türkischer Kochkurs bringt Lehrer und Eltern der Mittelschule Altenerding zusammen. Mehrere andere Schulen wollen dem gelungenen Beispiel folgen

Von Regina Bluhme, Erding

Katrin Herold leitet eine achte Klasse an der Mittelschule Altenerding. Die Lehrerfortbildung vom Dienstag wird sie so schnell nicht vergessen. In der Schulküche wurden sie und ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen von Müttern türkischer Schüler im Kochen unterrichtet. Jetzt weiß Katrin Herold, was es mit Köfte, Kisir und Lahmacun auf sich hat und wie sie eine perfekte türkische Pizza hinbekommt. Mit dem Kochkurs will die Schule auch ein Zeichen setzen für Integration und Toleranz.

Die Idee für den türkischen Kochkurs stammt von Levent Balci. Er unterrichtet, ebenso wie seine Frau Özlen, an mehreren Erdinger Schulen das Fach Islamunterricht in deutscher Sprache. Sein Anliegen: "Wir wollten zeigen, dass wir mit unserem islamischen Glauben hier gut integriert sind." Schulleiterin Karin Rausch sind das Miteinander und der regelmäßige Austausch unter den verschiedenen Kulturen ein großes Anliegen. Unter ihren 280 Schülern beträgt der Ausländeranteil 40 Prozent. "Wir haben 20 Nationen an unserer Schule, aber wir haben auch ein friedliches Miteinander", betont die Rektorin der Mittelschule Altenerding. Die türkischen Schüler seien gut integriert. Beim gemeinsamen Kochen sollten sich nun Eltern und Lehrer besser kennenlernen.

"Da sehen die Mamas, dass Lehrer auch nur Menschen sind", sagt Özlen Balci. Die Lehrer und Lehrerinnen wiederum lernen an diesem Dienstag modern gekleidete Frauen kennen, die auf den ersten Blick nicht von deutschen zu unterscheiden sind. Hatice Yavuz fällt allerdings auf, weil sie ein knallrotes Kopftuch trägt. Wie alle übrigen türkischen Frauen hier im Kochkurs ist auch sie berufstätig und spricht perfekt Deutsch. Ab und zu kocht sie zu Hause deutsche Gerichte, verrät Hatice Yavuz: "Mein Sohn liebt Semmelknödel."

Nebenan gibt Özlen Balci frische Minze in eine Schüssel mit Hackfleisch. Daraus formt sie kleine Bällchen. "Das sind Köfte, sagen wir ruhig Fleischpflanzerl", erklärt Gönül Ötztürk, die neben ihr steht. Ötztürk ist an der Mittelschule im Elternbeirat und auch an der Moschee in der Elternvertretung aktiv. "Essen verbindet und man kommt beim Kochen gut ins Gespräch", sagt sie. "Das Wichtige ist doch, dass man miteinander redet und sieht: Egal, welchen Glauben man hat, es ist okay."

Özlen Balci freut sich, wie sehr sich die deutschen Kollegen beim Kochen ins Zeug legen. "Respekt, sie sind begabter als ich dachte", sagt sie und lacht. Überhaupt wird sehr viel gelacht an diesem Nachmittag - und genascht. Kaum sind die mit Käse gefüllten Röllchen aus Zigarettenblätterteig aus der Pfanne gehoben, schon probieren die ersten und lassen sich die Sigaraböregi schmecken. Schulsekretärin Angelika Ferstl versucht währenddessen, den perfekten Joghurtdrink mit Salz und Wasser hinzukriegen. Gar nicht so einfach: "Da braucht man schon ein bisserl Gefühl".

Katrin Herold ist mit Teigrollen beschäftigt. Sie formt kleine Kugeln zu dünnen Fladen. Darauf kommt dann fein gewürztes Hackfleisch. So geht Pizza auf Türkisch. Wie Herold verrät, hat sie sich in der Vergangenheit zu Hause immer wieder an den Fladen versucht, "aber die wurden immer hart, damit hätte man Frisbee spielen können". Jetzt holt sie sich bei Nazli Ardak Tipps. Siehe da: Es klappt einwandfrei.

Auch zwei Männer sind in der Schulküche aktiv. Alfons Deutinger, der an der Mittelschule Altenerding Mathe unterrichtet, kocht ohnehin privat gerne. Jetzt hat er sich vorgenommen, seiner Freundin auch mal eine türkische Spezialität zu servieren. "Das ist zumindest der Plan." Unter die Kochschüler hat sich auch ein Lehrer von der Mittelschule am Lodererplatz geschmuggelt. Paul Horn hat schon mehrere Fladen ausgewalzt, "aber noch mehr gegessen", wie er gesteht. Besonders gefällt ihm das Miteinander. Wie Özlen Balci mitteilt, haben bereits mehrere Erdinger Schulen bei ihr angeklopft, "sie wollen auch einen türkischen Kochkurs". An der Mittelschule Altenerding wird es laut Rektorin Karin Rausch eine Fortsetzung geben. Nach den Sommerferien ist ein Kochkurs mit Nachspeisen geplant.

Nur einmal wird Gönül Ötztürk an diesem Nachmittag etwas bange. Wenn das so weitergehe mit dem Naschen, dann bleibe nichts mehr übrig für das geplante gemeinsame Essen, fürchtet sie. Die Angst ist unbegründet. Der Tisch ist schließlich üppig gedeckt. Es ist genug für alle da.

© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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