Im Visier der Generalstaatsanwaltschaft:Waffen vom "Migrantenschreck"

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29-Jährige bestellt bei berüchtigtem Onlineshop Revolver und Gewehr für Gummigeschosse, um Einbrecher abwehren zu können. Zollfahnder finden im Haus ein ganzes Arsenal

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Ungewollt ins Visier der Generalstaatsanwaltschaft ist eine 29-Jährige aus dem südöstlichen Landkreis geraten, weil sie zwei Waffen in einem Onlineshop mit dem Namen "Migrantenschreck" gekauft hat. Der Betreiber: ein mutmaßlicher Rechtsextremer, der sich zur Zeit vor dem Berliner Landgericht wegen illegalen Waffenhandels über das Internet verantworten muss. Insgesamt 193 deutsche Bürger haben bei ihm eingekauft - darunter die 29-Jährige. Zwar sind die Waffen, die Vollgummigeschosse verschießen, in Ungarn, wo die Webseite beheimatet ist, legal von 18 Jahren an zu erwerben, nicht aber in Deutschland. Sie und ihr 51-jähriger Lebensgefährte wurden nun am Amtsgericht Erding zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 90 Euro wegen Erwerbs und des Besitzes von Waffen ohne die erforderliche Erlaubnis verurteilt.

Der Revolver und das Gewehr, die die Frau Mitte 2016 für zusammen rund 1200 Euro erworben hatte, hatten die Ermittler nach der Auswertung der Kontodaten auch auf die Spur der 29-Jährigen geführt. Am 24. Januar stand dann um 7 Uhr früh ein siebenköpfiges Team der Zollfahndung vor dem Haus, in dem sie mit ihrem Lebensgefährten und den sieben und acht Jahre alten Kindern lebt. Beide zeigten sich nach Aussage des Leiters der Aktion "kooperativ", die Durchsuchung des Hauses sei ruhig abgelaufen - allerdings dauerte die Aktion länger als geplant, denn die Beamten fanden im ganzen Haus Waffen, hauptsächlich aber im Schlafzimmer. Die beiden bestellten Waffen seien dort durchgeladen aufbewahrt worden.

Die Aktion brachte aber auch drei Wurfsterne, einen Nunchaku, ein Würgeholz, eine Präzisionsarmbrust, eine Präzisionssteinschleuder sowie drei Druckluftgewehre zum Vorschein, die so manipuliert worden war, dass sie mit einer weitaus höheren Schusskraft schossen als erlaubt. Im ganzen Haus, so der Zollbeamte, habe man griffbereite Pfeffersprays gefunden.

Den Kauf der beiden Waffen auf der Webseite erklärte die Frau mit ihrer Angst, die sie gehabt habe, als ihr Lebensgefährte ins Krankenhaus musste und sie mit den Kindern alleine im Haus gewesen sei. Das sei der "Schlüsselmoment" gewesen, sie habe beschlossen, sich Waffen zuzulegen, um sich zu schützen. Schließlich lese man immer, dass Einbrecher vor nichts zurückschreckten. Das habe sie auch in den Sendungen von Aktenzeichen XY gesehen. Zudem sei in der Nachbarschaft eingebrochen worden, "Autos mit ausländischen Kennzeichen" seien herum gefahren. "Da wusste ich, dass die Kriminalität bei uns angekommen ist. Und einen Hilferuf würde keiner hören, da wir ziemlich abgelegen wohnen", sagte die 29-Jährige.

Mit dieser Angst machte auch der Betreiber der Internetseite sein Geschäft und verbreitete Gerüchte über angebliche Gewalttaten. Zu kaufen gab es unter anderem das "Migrantenschreck HD130 Superior Komplettpaket" oder die doppelläufige Flinte "DP 120 Bautzen Edition". Und alles ganz einfach, wie die Angeklagte sagte. Für sie habe die Seite, die zudem auf Deutsch war, den Eindruck gemacht, dass der Kauf legal sei. Zuerst habe sie den Revolver erworben und weil dieser ihr zu klobig gewesen sei, noch das Gewehr. Beides vom Kaliber neun Millimeter. Gekommen seien die Waffen per Post. Die ermittelten Kundendaten zeigten, dass die Kundschaft quer durch die Bevölkerung geht, wie einer der Verteidiger sagte. Und eigentlich sei seine Mandantin einem Betrüger aufgesessen, da die Waffen in Ungarn nur rund 100 Euro kosten würden.

Der Einsatzleiter sagte, dass die Waffen, obwohl sie nur Gummigeschosse abfeuere, sehr gefährlich seien. Die Untersuchung der Waffen ergaben beim Auftreffen eine Energie von rund 80 Joule. Nach dem Waffengesetzt sind maximal 7,5 Joule erlaubt. "An den Kopf möchte ich das nicht bekommen", sagte der Beamte.

Richter Björn Schindler legte den beiden vor allem zu Last, dass sie sich nicht ausreichend informiert hätten über das Waffenrecht. Man müsse wissen, dass Deutschland ein sehr strenges Recht habe. Das gelte nicht nur für die Angeklagte, sondern auch für ihren Lebensgefährten, dem die anderen gefundenen Waffen gehörten. Er beteuerte, dass er alles schon teilweise vor 35 Jahren erworben habe und für ihn zum Beispiel die Wurfsterne nur Deko gewesen seien. Dass die Luftdruckgewehre technisch manipuliert gewesen seien, habe er nicht gewusst, da er sie damals gebraucht gekauft habe.

© SZ vom 14.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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