Hochwasserschutz Erding:Es staut sich

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Die Bürgerinitiative Naturnaher Hochwasserschutz Sempt fordert Nachbesserungen, vor allem für den Überlastfall. Die Planer vom Wasserwirtschaftsamt wollen aber endlich loslegen

Von Regina Bluhme, Erding

Der geplante Hochwasserschutz entlang der Sempt in Erding ist das aktuell größte Bauvorhaben des Wasserwirtschaftsamts München - und eins, das vor Ort auf viel Gegenwind stößt. Vor allem bei der Bürgerinitiative (BI) Naturnaher Hochwasserschutz Sempt. Erst kürzlich hatten wieder Behörde und Kritiker bei einer Online-Infoveranstaltung des Wasserwirtschaftsamts das Für und Wider der geplanten Ausbauvariante mit Deichen und Mauern erörtert. Ein paar Tage darauf hat die BI nun eine Stellungnahme an die Presse versandt, in der sie erneut Geschütze gegen die Planung auffährt. Diesmal kritisieren die Anwohner vor allem, dass der Überlastfall, also das Überlaufen der Schutzvorrichtungen, nicht berücksichtigt werde.

Das Ziel der BI sei nicht, die Planungen zu verzögern, auch den Variantenentscheid wolle sie nicht infrage stellen oder auf den Hochwasserschutz verzichten. Das betont die BI zu Beginn ihres Schreiben. Offensichtlich haben die Mitglieder ihrerseits schon Kritik vonseiten der Bürgerschaft einstecken müssen, wie Christian Veicht, einer der BI- Sprecher auch einräumt. Aber es gebe Punkte, die müssten kritisch hinterfragt werden, schreibt die BI. So sei die Planung des Wasserwirtschaftsamt "strategisch nicht zu Ende gedacht". Denn der "Störfall, der Überlastfall wurde bisher überhaupt nicht berücksichtigt". Dieser Fall trete ein, wenn zum Beispiel bei extremem Hochwasser oder Starkregen mehr Wasser in Altenerding und somit an der Ardeobrücke ankomme, als diese durchlasse, oder wenn der Durchlass reduziert sei durch Verklausung durch angeschwemmte Bäume. Anschließend, schreibt die BI, würde der neue "Semptkanal" in kürzester Zeit überlaufen, es drohe "eine unkontrollierbare Katastrophe".

Thomas Atzenhofer, der zuständige Projektleiter beim Wasserwirtschaftsamt, wiederholt auf Nachfrage der SZ das, was er auch schon in der Online-Veranstaltung vor wenigen Tagen öffentlich gesagt hatte: Die Überlast werde im Rahmen des Planfeststellungsverfahren ohnehin untersucht. "Wir sind gerade am Berechnen." Es sei ohnehin sehr unwahrscheinlich, dass es zu diesem Fall komme und selbst wenn, dann gebe es den Vorteil, dass das Wasser eben nicht unkontrolliert ablaufe. "Wir wissen dann, wo wir die Feuerwehr hinschicken müssen." Weiterhin bleibt das Wasserwirtschaftsamt dabei, dass es keinen Neubau der Ardeobrücke geben wird.

Dass das Risiko eines Überlastfalls in der Variantenentscheidung nicht berücksichtig worden, kritisiert die BI weiter. Das sei unverständlich, denn es habe bessere Lösungen gegeben, und Christian Veicht sagt ganz offen, dass die bessere Lösung die ursprüngliche Variante mit einem Rückhaltebecken in Wörth gewesen wäre. Dieses Becken war auch zunächst mit Nachdruck vom Wasserwirtschaftsamt verfolgt worden, bis dieser Plan 2020 zugunsten des linearen Ausbaus im Erdinger Stadtgebiet mit Deichen und Dämmen entlang der Sempt aufgegeben wurde. Das Schreiben der BI endet: "Die Entscheidung über die notwendigen Nachbesserungen sollte nicht einem Gericht überlassen werden." Sollte die Planung also unverändert verfolgt werden, werde die BI klagen, definitiv, so Veicht.

Damit hat das Wasserwirtschaftsamt schon gerechnet. Bei einem so großen Bauvorhaben gehe es meist nicht ohne Klagen, so Atzenhofer. Auch die Gemeinde Wörth hatte damals erklärt, alle rechtlichen Mittel ausschöpfen zu wollen, um das Becken zu verhindern. "Für uns ist relevant, dass dort, wo die Mauern hinkommen, das Gros einen Nutzen davon hat", sagt der Projektleiter.

Vielleicht geht es ja auch ohne Gericht. Günding an der Maisach, Landkreis Dachau, wurde wie Erding 2013 schlimm überschwemmt. Auch dort plant die Behörde seit 2014 einen Hochwasserschutz, wenn auch im kleineren Format. Auch dort gab es Widerstand. Ein Erörterungstermin lief einmal so schlecht, dass der nächste erst ein Jahr später zustande kam, so Atzenhofer. Angekündigte Klagen wurden aber zurück gezogen. Und jetzt im Juli 2021 ist der Planfeststellungsbeschluss erfolgt. Vielleicht gibt es ja doch noch eine Einigung in Erding. Ein Prognose wagt Atzenhofer nicht. Aktuell geht er davon aus, dass die Planung für den Hochwasserschutz Mitte 2022 zumindest ins Verfahren starten kann.

© SZ vom 30.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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