Hilfe für Bedürftige:Kein Grund zum Feiern

Lesezeit: 2 min

Vor 25 Jahren wurde die erste Tafel in Deutschland gegründet. In Erding läuft es zwar gut, aber in den nächsten Jahren sind einige große Herausforderungen zu meistern, da die Altersarmut zunehmen wird

Von Thomas Daller, Landkreis

Vor 25 Jahren, 1993, wurde die erste Tafel in Deutschland in Berlin gegründet, 1994 zogen München und Hamburg nach. Mittlerweile gibt es etwa 940 Tafeln in Deutschland mit mehr als 60 000 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die Sachspenden abholen, sortieren und an Bedürftige ausgeben. Doch dass es die Tafeln geben muss, ist kein Grund zum Feiern, denn sie bilden ab, dass viele Bürger auf ein Existenzminimum angewiesen sind. Und in Zukunft wird es noch schwieriger werden, weil die Altersarmut in den kommenden Jahren zunehmen wird.

Allein der Tafel-Landesverband Bayern zählt 169 Tafeln mit rund 7000 ehrenamtlichen Helfern, die rund 40 000 Tonnen Lebensmittel an 200 000 Bedürftige verteilen. Die meisten Tafeln innerhalb des Freistaats befinden sich in Oberbayern; 62 sind es laut einer aktuellen Auflistung. Petra Bauernfeind, Vorsitzende der Erdinger Nachbarschaftshilfe, war in den vergangenen zwei Jahren stellvertretende Landesvorsitzende der Tafeln Bayern und kennt die Strukturen. In Erding mit seinen rund 60 Ehrenamtlichen und etwa 130 Kunden, die wöchentlich versorgt werden, funktioniert die Tafel gut. "Aber viele Tafeln klagen, dass sie zu wenig Ehrenamtliche haben und dass ihnen die Arbeit zu viel wird. Manche Tafeln sperren daher jetzt schon wochenweise zu", sagt Petra Bauernfeind. Wenn in den nächsten zehn Jahren die Renten sinken und künftige Rentner sich deswegen lieber einen bezahlten Minijob suchen als ehrenamtlich zu arbeiten, könne sich dieses Problem verschärfen, "denn bei uns bekommen sie für ihre Mitarbeit gar nichts".

Hinzu kommt die demografische Entwicklung: Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, werden auch mehr ehemalige Alleinerziehende darunter sein, die weniger in die Rentenkassen eingezahlt haben oder noch mehr Menschen, die sich im Arbeitsleben kein Wohneigentum leisten konnten. Somit werden zwangsläufig auch mehr Kunden auf die Tafeln angewiesen sein. Auch dadurch kommen in den nächsten Jahren größere Herausforderungen auf die Tafeln zu.

In Erding ist die Situation aktuell sehr gut. "Die Wirtschaft unterstützt uns großzügig", sagte Bauernfeind. Knapp 120 Tonnen Lebensmittel habe allein die Tafel Erding im vergangenen Jahr verteilt. "Wir haben Jahr für Jahr eine Steigerung der Spenderzahlen, auch durch Sonderspenden von Schulen und Kindergärten. Hinzu kämen auch Sachspenden wie Kühlgeräte. "Eine tolle Sache" sei es auch, dass das riesige Rewelager in Eitting seit vergangenem Jahr die Tafel Erding versorge. Das habe Bürgermeister Georg Wiester vermittelt. "Das sind Retouren, keine welken Sachen", lobt sie die Qualität der Waren. Ein Anliegen der Tafel sei es ja auch, neben der Versorgung der Tafelkunden, dass keine Lebensmittel weggeworfen werden.

Doch auch die Lebensmittelgroßkonzerne, die die Tafeln unterstützen, lernen dazu, weniger überschüssige Waren anzubieten. Das geschieht durch Kundenkarten, die zunehmende Digitalisierung und bessere Algorithmen, die das saisonale Einkaufsverhalten errechnen. Das ist auch Bauernfeinds Eindruck: "Der Kuchen wird kleiner, weil die Supermärkte immer cleverer Waren bestellen."

Aber trifft es überhaupt zu, dass auf die Tafeln immer mehr Arbeit zukommt? Die Staatsregierung hat auf eine Anfrage der SPD geantwortet, der Anteil der Menschen, die mit einem sehr geringen Einkommen auskommen müssten, sei in den vergangenen zehn Jahren stabil geblieben. Von wachsender Ungleichheit könne keine Rede sein. Deckt sich das mit Bauernfeinds Erfahrungen? "Das stimmt nicht", entgegnet sie. "Als ich 2012 angefangen habe, waren es schon viel, wenn 70 Kunden in der Woche kamen. Das hat sich seither verdoppelt."

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: