Hausschweine im Landkreis:Präventiver Abschuss

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Schlaflose Nächte wegen der Schweinepest: Züchter und Mäster fordern die Jäger auf, den Schwarzwildbestand massiv zu dezimieren. Doch es ist fraglich, ob das hilft

Von Thomas Daller, Landkreis

Die Afrikanische Schweinepest (ASP) bereitet den Schweinezüchtern und -mästern 2018 schlaflose Nächte. Im Landkreis Erding ist die Sorge besonders groß, weil sich hier der höchste Bestand aller oberbayerischen Hausschweine befindet. ASP ist in Teilen Osteuropas ausgebrochen und im September ist noch ein Fall in Belgien aufgetreten. Sollte sie sich weiter nach Deutschland ausbreiten, drohen ein Importverbot und der wirtschaftliche Schaden würde in die Milliarden gehen. Für Menschen ist die Seuche ungefährlich, doch für Wild- und Hausschweine tödlich. Schweinehalter und Schweinezüchter fürchten daher um ihre Existenz: Taucht auch nur ein infiziertes Wildschwein in der Region auf, muss die Vermarktung von Schweinefleisch sofort eingestellt werden. Ist ein Zuchttier infiziert, wird der gesamte Bestand des Stalls gekeult, mit ruinösen Folgen für die betroffenen Bauern.

Die Angst vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) und eine mögliche Übertragung durch Schwarzwild schlug bei den Landwirten im Landkreis Erding zeitweise in Hysterie um: Bei der Jahreshauptversammlung der Jagdgenossenschaften in Lengdorf forderte Michael Hamburger, stellvertretender Kreisobmann des Bauernverbandes, die jährlichen Abschusszahlen bei Wildschweinen von etwa 200 auf rund 2500 Tiere zu steigern. Dafür war den Landwirten fast jedes Mittel recht: Drohnen mit Wärmebildkameras, Fallen im Wald, Drückjagden, bei denen Straßen gesperrt werden sollen, sowie Ausnahmegenehmigungen für die verbotenen Nachtzielgeräte. Landrat Martin Bayerstorfer und Ulrike Scharf, damals noch Umweltministerin, versprachen ein "Bündel von Maßnahmen".

Die Zahl der Tiere im Landkreis ist vergleichsweise gering, weil Erding zu den waldärmsten Regionen in Bayern zählt; den Schwarzkitteln fehlt die sogenannte Deckung. Sie kommen überwiegend nachts aus dem Ebersberger Forst, um sich hier am Mais satt zu fressen. Aber die Zahl der Abschüsse ist in den vergangenen Jahren gestiegen, von 100 auf 150, dann 200 und zuletzt 250 im vergangenen Jahr. Eine weitere Vermehrung will man verhindern, Ziel ist eine Reduzierung des Bestands. Es gehe nicht darum, das Schwarzwild auszurotten, betonten Politiker und Jäger in der Diskussion mit den Landwirten. Das wäre auch kaum möglich: Die Tiere sind nachtaktiv, intelligent, scheu und haben keine natürlichen Feinde. Futter finden sie zur Genüge: Eicheln und Bucheckern in den Wäldern, der allgegenwärtige Mais ist geradezu Mastfutter für die Tiere. Hinzu kommt, dass Wildschweine ihre Verluste durch eine hohe Geburtenrate wieder ausgleichen können: Werden sie stark bejagt, bringen sie umso mehr Frischlinge zur Welt.

Hinzu kommt, dass das punktuelle Auftreten der ASP wie in Tschechien oder Belgien nicht durch die Übertragung der Krankheit von Wildschwein zu Wildschwein geschehen sein kann. Fachbehörden gehen davon aus, dass die Ansteckung durch weggeworfene Fleischabfälle, insbesondere Rohwurst, in solche Inselpopulationen eingeschleppt wurde. In Verdacht geraten sind dabei subsistenzwirtschaftliche bäuerliche Betriebe in Polen, Litauen oder Lettland, die infizierte Hausschweine verarbeiten und Autofahrer aus diesen Regionen, die den Rest ihrer von zuhause mitgebrachten Wurstsemmel auf einem Autobahnrastplatz ins Gebüsch werfen. Deswegen sind an den Autobahnen mittlerweile mehrsprachige Schilder aufgestellt worden, auf denen vor dieser Gefahr gewarnt wird. Wildschweine zu töten stoppt daher noch keine Seuche.

Dennoch haben sowohl das Landratsamt als auch der Kreisjagdverband auf die Forderungen der Landwirte reagiert und einen "Arbeitskreis Schwarzwild" gegründet. Der Landkreis legt nun auf die 20 Euro Abschussprämie, die der Freistaat für Wildschweine zahlt, weitere 20 Euro drauf. Außerdem hat das Landratsamt eine Drohne erworben, die sie den Jägern für Erntejagden zur Verfügung stellt. Damit kann man insbesondere Maisfelder überfliegen und Wildschweine lokalisieren, die sich darin befinden. Außerdem hat das Landratsamt Genehmigungen für Saufänge erteilt. Dabei handelt es sich um einen Pferch, in dem angefüttert wird und der als Falle fungiert.

Einzelne Jäger und Landwirte fordern zudem, den Tiere mit Nachtsichtgeräten nachzustellen. Der Besitz und die Benutzung von solchen Geräten ist jedoch normalerweise verboten, wenn sie fest mit der Waffe verschraubt sind. Wenn so ein Nachtzielgerät auch noch über ein Fadenkreuz verfügt, kann sogar das Kriegswaffenkontrollgesetz greifen. Ausnahmegenehmigungen sind daher nur möglich, wenn ein Ausnahmetatbestand vorliegt. Das kann beispielsweise in manchen Landkreisen Unterfrankens geltend gemacht werden, wo 5000 Wildschweine pro Jahr erlegt werden, und nicht 250, wie im Landkreis Erding. Und gegen eine Scheibe Hausmachersalami aus infiziertem Schweinefleisch kommt man auch mit Nachtsichtgeräten nicht an.

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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