Gfällach:Paradies mit Problemen

Lesezeit: 3 min

Prachtnelken, Johanniskraut, Duftlauch: Im westlichen Landkreis gibt es kaum noch so unberührte Flecken wie das Naturschutzgebiet Gfällach, um das sich der Bund Naturschutz kümmert. Doch das Gebiet ist bedroht, die Politik muss nun schnell handeln

Von Regina Bluhme

Menschen, die mit Heugabeln und Holzrechen Mähgut zusammenkehren, sind mittlerweile ein recht seltener Anblick geworden, aber einmal im Jahr ist es zwischen Niederneuching und Eicherloh soweit: Dann kommen die Mitglieder vom Bund Naturschutz (BN) und Alpenkranzl zu dieser schweißtreibenden Arbeit im Naturschutzgebiet Gfällach zusammen. Vergangenes Wochenende habens ich die Freiwilligen wieder getroffen, und dort gab es auch gute Neuigkeiten zu hören: Offenbar gibt es neue Hoffnung im Kampf gegen die Austrocknung des Areals. Die Gemeinde Finsing lässt gerade eine Zuleitung aus dem Viertelbach in die Gfällach prüfen.

Die Teilnehmer der Räumaktion auf dem insgesamt sechs Hektar großen Areal müssen gut zu Fuß sein. Zum Treffpunkt geht es erst einmal eine ganze Weile über eine bucklige Wiese, bis endlich ein Tragerl Wasser unter einem Baum auftaucht, ein paar Meter weiter hängt eine Jacke an einem Ast - und endlich sind Stimmen zu hören. Um die 30 Helfer spießen mit Heugabeln Mähgut auf und werfen es auf schnell wachsende Haufen zusammen. Sie lachen, ratschen und schwitzen. Auch der dreieinhalbjährige Christoph ist mit seinem roten Minirechen mit Feuereifer dabei.

Ob Jung oder Alt, alle machen mit: Einmal im Jahr wird aufgeräumt an der Gfällach, wo es sonst eigentlich ruhig und beschaulich ist. (Foto: Peter Bauersachs)

"Einmal im Jahr muss das sein", sagt Gabriele Betzmeir und stützt sich auf ihren Rechen. Wie die Vorsitzende der BN-Kreisgruppe Erding erklärt, wird die Fläche zunächst per Balkenmäher "vorsichtig abgemäht". Streuwiesen brauchen einen so genannten Magerrasen und deswegen müssen die Nährstoffe - sprich das Mähgut - auch herausgeholt werden. Nur so kann die Artenvielfalt auf dem Niedermoor-Gelände erhalten werden, sagt Betzmeir. Im Naturschutzgebiet Gfällach wachsen zum Beispiel Duftlauch, Pfefferminze, Schneidriedgras, Johanniskraut und Mädesüß. "Besonders zahlreich hat heuer die Prachtnelke geblüht", sagt sie. "Hier gibt es Arten, die nur noch ganz selten in Bayern zu finden sind." Rare Tierexemplare wie die Goldschrecke und der Wiesenknopfameisenbläuling haben eine Heimat gefunden, auch ein Eisvogel ist schon gesichtet worden.

Bereits 1933 hat der Bund Naturschutz das Gebiet gekauft, und somit ist das Gfällach-Areal das zweitälteste bayerische Naturschutzgebiet im Besitz des BN. Mittlerweile ist es auch durch Europarichtlinien geschützt. Doch es gibt ein Problem: Seit einer künstlichen Ableitung vom westlichen in den östlichen Arm der Gfällach herrscht auf dem Naturschutzgebiet zunehmend Wassermangel. Seit vielen Jahren schwelt zwischen dem BN und dem Fischereiverein ein Streit ums Wasser aus der Gfällach. Der BN bangt um seine Pflanzen, die Fischer befürchten ein Krebs- und Fischsterben.

Die fleißigen Helfer haben sich eine Brotzeitpause verdient. (Foto: Peter Bauersachs)

"Jetzt scheint sich eine Lösung zu nähern", formuliert Gabriele Betzmeir vorsichtig optimistisch und verweist auf die Gemeinde Finsing. Dort ist das Quellgebiet der Gfällach, und dort hat der Gemeinderat im Juli besprochen, ob man nicht aus dem Viertelbach Wasser in die Gfällach ableiten könnte - allerdings unter Vorbehalt. Zunächst soll jetzt ein Ingenieurbüro den technischen Aufwand und die Kosten berechnen.

Wie die Nachfrage beim Finsinger Bürgermeister Max Kressirer ergibt, müssen noch einige Punkte geklärt werden. Als Beispiel nennt er den Hochwasserschutz für den Ortsteil Eicherloh oder den Zu- und Ablauf der Badeweiher. Darüber hinaus befürchtet die Gemeinde, dass sich aufgrund der höheren Wassermenge ein Biber an der Gfällach ansiedeln könnte. Zu dem Thema soll die Untere Naturschutzbehörde eine Stellungnahme abgeben. Aktuell liegen laut Kressirer noch keine Zahlen des Ingenieurbüros vor. Sollten die Pläne verwirklicht werden, dann hofft der Finsinger Bürgermeister auf eine finanzielle Beteiligung der Gemeinde Moosinning, in deren Gebiet das Naturschutzgebiet liegt.

Der Wassermangel ist aber nicht die einzige Bedrohung der Artenvielfalt im Naturschutzgebiet Gfällach, wie Gabriele Betzmeir berichtet. Gefahr droht den Pflanzen im Niedermoos auch durch den hohen Nährstoffeintrag auf den Äckern. Rechts und links der geschützten Streuwiese stehen Maisfelder, "und über das Grundwasser kommen die Nährstoffe ins Naturschutzgebiet", so Betzmeier.

Darüber Hinaus machen sich auf dem Areal auch Neophyten, also eingewanderte Pflanzen und Büsche, breit. "Schaun´S mal da zu dem Faulbaum rüber", sagt Betzmeier. Die Spezies vermehrt sich recht fleißig, "da können sich viele Pflanzen nicht mehr im Boden halten, was uns natürlich nicht so freut." Entbuschungs-Aktionen sollen das Wachstum der eingewanderten Pflanzen einigermaßen in Schach halten.

Einmal im Jahr packen alle Naturschützer mit an. (Foto: Peter Bauersachs)

Gabriele Betzmeir hofft, dass sich die Vielfalt auf dem Areal noch recht lange erhalten lässt, denn ihrer Meinung nach ist das Naturschutzgebiet "eines der wenigen schönen Flecken im westlichen Landkreis". Für die Pflanzenvielfalt rackert sich an diesem Samstag auch Gerd Gaumer, der Erdinger BN-Pressesprecher, ab. Er betont die Bedeutung des Geländes "mit seinen Graben, Fugen und Rillen in einem betonversiegelten Landkreis wie Erding".

Hans Sterr, der Vorsitzende des Alpenvereins, Sektion Alpenkranzl Erding, kommt auch ganz schön ins Schwitzen. Schon lange ist das Alpenkranzl bei der Pflegeaktion dabei. "Laut unserer Satzung sind wir dem Naturschutz verpflichtet", sagt Sterr. Dazu gehören für ihn nicht nur die Berge, "sondern auch die Heimat vor der Haustür", sagt er und hievt eine vollgepackte Gabel auf den Grünguthaufen. Auch der kleine Christoph kommt so richtig in Fahrt. Sein Vater Wolfgang kann den Dreijährigen gerade noch davon abhalten, mit dem roten Minirechen im benachbarten Maisfeld loszulegen.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: