Immobilienpreise und Fachkräftemangel:"So kann es nicht weitergehen"

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Kreishandwerksmeister Rudolf Waxenberger beklagt die negativen Folgen des Wirtschaftswachstums. Landrat Bayerstorfer fordert mehr und dichtere Wohnbebauung

Von Philipp Schmitt, Erding

Die aktuelle wirtschaftliche Lage und die Chancen und Herausforderungen für Unternehmer in der Region standen beim ersten "Gewerbedialog" der Kreis- und Stadtsparkasse im Mittelpunkt, bei dem Lokalpolitikern, Vertreter von Handel und Handwerk, Bankmanagern und Marketingexperten diskutierten. Ihr Fazit: Im wirtschaftlich boomenden Landkreis Erding gibt es auch in Zukunft für Gewerbetreibende gute Chancen - doch wo viel Licht ist, gibt es auch Schattenseiten wie den Fachkräftemangel, Defizite bei der Verkehrsinfrastruktur und die sich zuspitzende Situation am Immobilienmarkt.

Vor allem die nach oben schnellenden Preise für Häuser und Wohnungen sind Handwerksmeister Rudolf Waxenberger ein Dorn im Auge. Er sah das einseitige Streben nach Wachstum kritisch und forderte ein Umdenken. "So kann es nicht weitergehen, das Ende der Fahnenstange ist erreicht. Es geht nicht um ein maximales Wachstum, wir müssen künftig auch die Schattenseiten dieser Entwicklung besser bedenken", sagte Waxenberger. "Wenn sich ein normal verdienender einheimischer Handwerker inzwischen wegen der hohen Mieten in der Stadt Erding keine Wohnung mehr leisten kann, dann müssen wir das infrage stellen. So kann es im Landkreis nicht weitergehen." Auch die schlechte verkehrliche Erschließung des Flughafens und die Verkehrsprobleme in der Stadt Erding seien nicht akzeptabel. Zudem mache neue Konkurrenz für Handel und Handwerk zum Beispiel durch den neuen Technologie-Campus am Flughafen den etablierten mittelständischen Betrieben das Leben schwer, monierte der Kreishandwerksmeister.

Rückendeckung erhielten er von Landrat Martin Bayerstorfer (CSU). Solange die Infrastruktur nicht durch finanziell geklärte neue Maßnahmen etwa beim Ausbau von Straßen gesichert sei und der "Nachholbedarf" nicht gedeckt werde, seien neue Großprojekte wie der Bau der dritten Startbahn am Flughafen ein Tabu. Um der Wohnungsknappheit und den daraus resultierenden hohen Immobilien- und Mietpreisen durch "Zuzüge und geringe Fluktuation" entgegenzuwirken, forderte Bayerstorfer ein Umdenken. Im Landratsamt soll sich in den kommenden Monaten eine Arbeitsgruppe konkret mit der Innenraum-Verdichtung beschäftigen. Aber auch die Städte und Gemeinden seien gefragt, sich künftig mit dichterer und höherer Bebauung mehr Tiefgaragen zu beschäftigen. "Die Ortschaften werden ihr Gesicht behalten, auch wenn ein Stockwerk mehr drauf gebaut werden darf", sagte Bayerstorfer. "Aber wir müssen die Nachverdichtung ernst nehmen und uns anstrengen, um mehr Wohnraum zu schaffen. Deshalb brauchen wir weitere Entwicklungen im Landkreis, der zu 88 Prozent aus landwirtschaftlich genutzten Flächen, Gewässern und Forst besteht."

Aus wirtschaftlicher Sicht habe der Landkreis eine glänzende Erfolgsgeschichte und gute Zukunftsaussichten, führte Bayerstorfer aus. Das Erfolgsrezept in Erding sei die gute Mischung aus kleinen Betrieben unterschiedlicher Branchen. Von den etwa 40 000 Beschäftigten am Flughafen kommen nur 5500 aus dem nahe gelegenen Landkreis. Bayerstorfer nannte Zahlen für die rasante Erfolgsgeschichte des Landkreises: Die Einwohnerzahl ist auf fast 140 000 gestiegen, das Gewerbesteueraufkommen hat sich seit 1980 auf aktuell jährlich 65 Millionen Euro verzehnfacht, die Einnahmen aus der Lohn- und Einkommensteuer sind auf 80 Millionen Euro im Jahr nach oben geschnellt. Die gute Lebensqualität und das "sichere Lebensgefühl" und die vielen Freizeitmöglichkeiten sorgen neben dem wirtschaftlichen Potenzial für Erdings Attraktivität: Die Zahl der Übernachtungen hat sich in zehn Jahren auf fast 1,2 Millionen im Jahr verdoppelt: "Auch hier sticht Erding mit den höchsten Zuwachsraten in Oberbayern heraus."

Bei der vom Vorstandsmitglied der Kreis- und Stadtsparkasse Erding-Dorfen, Michael Utschneider, und dem Journalisten Hans Moritz moderierten Podiumsdiskussion wurde über Herausforderungen durch Digitalisierung, die Bildung von Netzwerken, gemeinsame Aktionen und erhoffte Synergieeffekte debattiert. City-Manager Markus Jocher, der seit 2016 auch die Stadt Dorfen beim Stadtmarketing berät, forderte, dass Innenstädte und Läden attraktiver werden müssten, um auf das veränderte Verbraucherverhalten zu reagieren. Der Einkauf in der Stadt und im Laden müsse ein inszeniertes Erlebnis werden, die Innenstadt sei eine Bühne und ein "gemeinsamer Aktionsraum", Produkte müssten mit einer "Story" freundlich verkauft werden. "Das Einkaufen in der Stadt muss eine Show werden", pflichtete ihm der Dorfener Stadtrat und IT-Unternehmer Martin Greimel bei. Von der A 94 Isentalautobahn erhofft sich Greimel in Dorfen vor allem für ortsansässigen Firmen neue Chancen in neuen Gewerbegebieten. Er forderte außerdem, dass international im Onlinegeschäft tätige Großkonzerne künftig gerechter, sprich höher besteuert werden sollten.

Im kommenden Jahr soll der Gewerbedialog der Stadt- und Kreissparkasse in Dorfen stattfinden.

© SZ vom 19.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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