Gesundheitsversorgung :"Das kann noch knapp werden"

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Der neue Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands, der Erdinger Lungenfacharzt Markus Marschall, spricht über die Versorgungslage vor Ort. Der 56-Jährige lobt die Zusammenarbeit der Mediziner im Landkreis. In die Politik will der ehemalige SPD-Stadtrat nicht zurückkehren

Interview von Regina Bluhme, Erding

Vor kurzem ist der Erdinger Internist und Pneumologe Markus Marschall zum neuen Vorsitzenden des Ärztlichen Kreisverbands (KV) Erding gewählt worden. "Hast du wollen oder müssen?" habe ihn sein Sohn scherzend gefragt. "Ein bisserl von beidem" sei es gewesen, sagt der 56-jährige gebürtige Erdinger, der vor gut 15 Jahren die erste Lungenfacharztpraxis im Landkreis eröffnet hat und diese heute in Kooperation mit einem weiteren Arzt führt. Im Interview spricht Marschall, verheiratet, vier Kinder, über die Versorgungslage im Landkreis und kommende Herausforderungen und die Vor- und Nachteile des Medizinerberufs.

Herr Dr. Marschall, erst mal: Glückwunsch zur Wahl. Für wie viele Ärzte sind Sie jetzt im Kreisverband Erding zuständig?

Markus Marschall: Bei uns sind es 550 Mitglieder. Es herrscht Pflichtmitgliedschaft egal, ob Haus- oder Facharzt, ob mit eigener Praxis oder im Krankenhaus angestellt.

Und was ist Ihre Aufgabe?

Der ärztliche Kreisverband ist das kleinste Glied in der Kette der ärztlichen Selbstverwaltung. Für den Vorsitzenden bedeutet das zunächst einmal Verwaltungsarbeit, ich bin zum Beispiel zuständig für das Verlängern des Arztausweises - ich habe da sogar ein eigenes kleines Dienstsiegel. Unser großes Thema ist aber das Organisieren von Fortbildungen.

Was haben Sie sich vorgenommen?

Ganz wichtig ist mir ein kollegiales Miteinander, zwischen Haus- und Facharzt, auch mit den Klinikärzten und dem Gesundheitsamt. Das sehen Sie auch in der Vorstandschaft: 2. Vorsitzender ist Lorenz Bott-Flügel, der Ärztliche Direktor des Klinikums Erding, Beisitzerinnen sind Kathrin Mariß-Heinrich, die Leiterin des Gesundheitsamtes, und die praktische Ärztin Susanne Schober. Einen Konkurrenzgedanken gibt es in Erding nicht, das ist ein ganz großer Pluspunkt.

Wie ist der Landkreis mit Ärzten versorgt?

Ich würde sagen, die Lage ist bei uns noch gut. Noch. Aber wir haben schon Fälle, gerade in ländlichen Gebieten, wo Hausarztpraxen nicht nachbesetzt werden konnten. In Wartenberg zum Beispiel gab es einmal drei Praxen, jetzt sind es zwei, weil kein Nachfolger gefunden werden konnte.

Besser wird es nicht werden, es heißt 35 Prozent der Hausärzte sind über 60 Jahre alt.

Stimmt, viele gehen auch bei uns im Landkreis dem Ende ihrer Laufbahn entgegen. Das kann noch knapp werden.

Warum ist der Beruf des Hausarzts so unattraktiv für viele Medizinstudenten?

Weil sie zum einen weit über die normalen Arbeitszeiten hinaus im Einsatz sein müssen, auch mal am Wochenende. Dann ist da noch die Bürokratie für die eigene Praxis, manchmal hat man schlaflose Nächte wegen all der Unterlagen allein für die Steuer - und die Fixkosten steigen, die Bezahlung steigt nur bedingt Ich will hier nicht jammern, ich verdiene nicht schlecht. Nur muss man sich schon vor einer gewissen Selbstausbeutung schützen. Und der Beruf verlangt schon einen Partner oder eine Partnerin, die einiges mitträgt. Hier ein Dank an meine Frau!

Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf?

Der Umgang mit den Menschen. Dass ich Kranken helfen und beistehen kann. Ich habe auch Kinder als Patienten und ich freue mich immer, wenn ich ihnen helfen kann. Das ist das Schöne an meiner Arbeit.

Mittlerweile gibt es immer mehr Ärztinnen.

Ja und das hat auch was verändert. Denn viele Frauen wollen gerne in Teilzeit arbeiten und tun sich deswegen eher mit anderen zu einer Praxisgemeinschaft zusammen. Die Jungen legen auch mehr Wert auf die sogenannte Work-Life-Balance - und zu Recht.

Wie wirkt sich die Bereitschaftspraxis am Klinikum Erding aus?

Initiiert hat sie mein langjähriger Vorgänger im KV-Vorsitz Elmar Gerhardinger. Zunächst einmal muss man sagen, dass sie von der Bevölkerung sehr gut angenommen wird. Für uns ist der Vorteil, dass es für die Sonntagsdienste einen Pool an Freiwilligen gibt. Das ist eine große Entlastung.

Sie sind Lungenfacharzt. Ihre Kollegin Heidi Bisping-Arnold aus Freising warnt seit Jahren vor Feinstaub und Ultrafeinstaub vor allem aufgrund des Flughafens. Wie schätzen Sie die Gefahr ein?

Für Ultrafeinstaub liegen noch keine epidemiologischen Studien vor, aber ich denke es ist sehr wahrscheinlich, dass wir vermehrte Ultrafeinstäube haben. Der Anstieg des "normalen" Feinstaubs lässt sich ja belegen. Da spielt natürlich der ständig wachsende Autoverkehr auch eine große Rolle. Ich als Lungenfacharzt bemerke laufend mehr Patienten mit Atemwegserkrankungen oder Allergien.

Was gehört zu Atemwegserkrankungen?

Asthma oder COPD, eine unheilbare Raucherkrankheit, oder Schlafapnoe gehört dazu oder AHA: Atemnot, Husten, Auswurf. Wenn sie über 40 Jahre geraucht haben und unter Aha-Symptomen leiden, sollten Sie sich auf jeden Fall untersuchen lassen.

Sie wurden zweimal für die SPD in den Erdinger Stadtrat gewählt. 2017 haben Sie aus familiären Gründen ihr Amt niedergelegt. Zieht es Sie wieder in die Politik?

Das Mandat liegt über meinem Zeitgefüge. Als KV-Kreisvorsitzender kann ich den Zeitaufwand noch bewältigen. Ein Engagement in der Politik ist für mich nicht vorstellbar. Aber ich werde weiterhin zu SPD -Versammlungen gehen und jetzt im Wahlkampf auch mithelfen. Ob für Partei oder Standesorganisation: Ich hoffe, dass ich dort einiges Vernünftiges bewegen kann.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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