Gerichtsurteil in Erding:Zweieinhalb Jahre Haft für Schleuser

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Ungar pfercht 19 Syrer acht Stunden auf der Ladefläche eines Kastenwagens zusammen

Von Thomas Daller, Erding

Zu zweieinhalb Jahren Haft ist ein ungarischer Schleuser vom Schöffengericht in Erding verurteilt worden. Der Mann hatte im Juli vergangenen Jahres in einem Kastenwagen 19 syrische Flüchtlinge von Budapest nach Deutschland gebracht. Der Zoll erwischte ihn auf der Autobahn in der Nähe des Flughafens.

Am 15. Juni zwischen Mitternacht und ein Uhr morgens ging es in Budapest los. 17 Erwachsene und zwei kleine Kinder im Alter von einem und fünf Jahren mussten sich auf die Ladefläche eines Peugeot-Kastenwagens zwängen, nachdem sie pro Kopf 500 Euro an ein Mitglied der Schlepperbande gezahlt hatten. Man gab ihnen weder Wasser noch Nahrung, bevor man sie für die mehr als achtstündige Fahrt in den Wagen einsperrte. Stattdessen schärfte man ihnen ein, sich ruhig zu verhalten, insbesondere wenn der Wagen unterwegs halte und falls dann jemand anklopfe. Der Fahrer bekam nach eigenen Angaben 200 Euro Benzingeld und sollte 100 Euro als Lohn für die Fahrt erhalten.

Kurz vor München fiel der Wagen dann einer Streife des Hauptzollamtes Rosenheim auf, die ihn stoppte. Der Fahrer wollte die Hecktüren erst gar nicht öffnen, erst als der Zoll drohte, sie mit Gewalt aufzubrechen, rückte er den Schlüssel heraus. Als die Zollbeamten die Flüchtlinge erblickten, informierten sie die Kriminalpolizei Erding, die den Fall übernahm. Der Fahrer kam in Untersuchungshaft in die Justizvollzugsanstalt Landshut.

Sechs Monate später stand er nun in Erding vor Gericht. Gleich zu Beginn der Sitzung bat sein Pflichtverteidiger Thomas Fauth Richter Schindler und Staatsanwältin Wittig um eine Rechtsgespräch, um das Verfahren abzukürzen. Man verständigte sich auf einen Strafrahmen zwischen zwei Jahren und zwei Monaten und zwei Jahren und sechs Monaten. Im Gegenzug legte der Angeklagte ein vollständiges Geständnis ab. Ursprünglich hatte er nämlich bei seiner Vernehmung durch die Polizei behauptet, die Syrer wären wohl heimlich in den Wagen eingestiegen, als er mit dem Wagen einen Stopp eingelegt habe. Er hätte sie auf der Weiterfahrt gar nicht bemerkt. Diese Version hielt er vor Gericht nicht mehr aufrecht. Sie hätte auch nicht Bestand gehabt, denn die Polizei hatte in dem Wagen einen Hörtest durchgeführt. Denn die geschleusten Syrer hatten angegeben, dass die Kinder während der Fahrt immer wieder geschrien hätten. Und das hätte der Fahrer selbst bei Vollgas hören müssen, ergab der Test der Polizei.

Der Angeklagte gab als Motiv finanzielle Probleme an. Er habe als Kraftfahrer gearbeitet, bis man ihm wegen eines Unfalls mit einem Firmenwagen 1500 Euro vom Lohn abgezogen und ihm gekündigt habe. Seither sei er arbeitslos. Seine Frau habe sich von ihm scheiden lassen, bei ihr sei er mit den Unterhaltszahlungen für den gemeinsamen Sohn in Verzug. Darüber hinaus habe er Schulden bei der Bank, die ihm bereits mit der Zwangsversteigerung seines Hauses gedroht habe.

Staatsanwältin Wittig plädierte für eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Der Angeklagte sei zwar nicht der Anführer der Schleuserbande, sondern "ein kleines Licht: der Fahrer, der das Risiko trägt". Aber ohne diese Fahrer wären die Schleusungen eben nicht möglich. Zudem sei die Fahrt für die Flüchtlinge lebensgefährlich gewesen aufgrund der geringen Frischluftzufuhr.

Rechtsanwalt Fauth entgegnete, die Luft sei sicher schlecht gewesen, aber man könne den Fall nicht mit der Tragödie in Österreich vergleichen, bei der Flüchtlinge in einem hermetisch abgeschlossenen Kühllaster erstickt seien.

Richter Schindler verurteilte den Angeklagten zu zweieinhalb Jahren. In der Urteilsbegründung sagte er, ergehe nicht von einer konkreten Lebensgefahr für die 19 syrischen Flüchtlinge aus, wohl aber seien sie auf der Fahrt erniedrigend und unmenschlich behandelt worden, als man sie auf der dunklen Ladefläche ohne Wasser und Nahrung zusammengepfercht habe.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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