Gericht:Exhibitionist will Therapie statt Strafe

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Rechtsanwalt des Wiederholungstäters vom Kronthaler Weiher erreicht Aussetzung des Verfahrens, bis ein Psychiater ein Sachverständigengutachten zu seinem Mandanten erstellt hat

Von Thomas Daller, Erding

Im April dieses Jahres hat die Polizei am Kronthaler Weiher einen Mann festgenommen, der dort nackt vor Frauen masturbiert hatte. Anhand von Porträtaufnahmen konnten ihm dann auch ungeklärte Fälle von Exhibitionismus aus den Jahren 2015 und 2014 zugeordnet werden, die ebenfalls am Kronthaler Weiher stattgefunden hatten. Doch der Mann hat Einspruch gegen einen Strafbefehl in Höhe von 90 Tagessätzen eingelegt. Am Amtsgericht Erding wurde der Fall nun verhandelt. Sein Verteidiger machte geltend, dass es sich um eine krankhafte Störung der Sexualpräferenz handeln könne, die nicht bestraft, sondern therapiert werden sollte. Das Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und will ein Sachverständigengutachten einholen.

Bei dem Angeklagten handelt es sich um einen 36-jährigen Staplerfahrer aus Ungarn, der in Erding wohnt. In allen drei Fällen, die ihm zur Last gelegt wurden, gab er an, dass er jeweils vormittags zum Baden an den Weiher gefahren sei und dann den ganzen Tag dort verbracht habe. Dabei habe er jedes mal fünf bis sechs Dosen Bier getrunken. An die Taten habe er keine Erinnerung, auch an die drei Frauen, die Anzeige erstattet hatten, könne er sich nicht erinnern.

Ein Kriminalhauptkommissar der Polizei Erding, der die Ermittlungen geführt hatte, schilderte als Zeuge, wie es im April zu der Festnahme gekommen sei: Eine Stehpaddlerin sei vom Surfclub aus eine Runde gefahren. Auf Höhe einer eingewachsenen Bucht habe der Mann ihr "Hallo" zugerufen und damit auf sich aufmerksam gemacht. Er sei nackt gewesen, mit erigiertem Glied. Beim Zurückfahren sei sie wieder an dieser Stelle vorbeigekommen und dann habe der Mann masturbiert. Sie habe dann die Polizei gerufen und den Täter identifiziert. Weil der Mann kein Deutsch konnte, eine Dolmetscherin nicht zur Verfügung stand und er obendrein mit etwa 1,0 Promille alkoholisiert war, habe man die Vernehmung aufgeschoben. Aber auch mit Dolmetscherin habe er zu einem späteren Zeitpunkt keine Angaben zur Sache gemacht. Doch anhand seines Porträtfotos habe man noch zwei weitere Fälle aus den Vorjahren klären können.

Der Rechtsanwalt des Angeklagten erläuterte, sein Mandant habe nun eine Psychotherapeutin gefunden, die seine Sprache spreche. Ein Erstgespräch habe bereits stattgefunden und die Therapeutin gehe von "dranghaften sexuellen Impulsen" aus, die zu dieser Masturbation in der Öffentlichkeit führe. Es gebe die Möglichkeit einer Therapie.

Der Anwalt regte daher an, die 90 Tagessätze nach Paragraf 59 Strafgesetzbuch in eine Verwarnung mit Strafvorbehalt umzuwandeln. Als Auflage sollte dabei erfolgen, dass sein Mandant die Therapie erfolgreich abschließt. Richterin Schmaunz äußerte Skepsis: Nach einem Erstgespräch könne die Psychotherapeutin lediglich eine Verdachtsdiagnose stellen: "Vielleicht ist er erkrankt", fasste Schmaunz die Diagnose zusammen. Auch die Staatsanwaltschaft zog nicht mit, denn besagter Paragraf 59 kann nur angewendet werden, wenn die Verteidigung der Rechtsordnung die Verurteilung zu Strafe nicht gebietet. Und das könne man "aus generalpräventiven Gründen nicht machen", so der Staatsanwalt, denn die Gesellschaft könne solche Übergriffe auf Frauen nicht dulden.

Die Verteidigung ließ nicht locker: Dann müsse man eben die Verdachtsdiagnose verifizieren, indem ein Psychiater ein Sachverständigengutachten zu seinem Mandanten erstelle, ob tatsächlich eine krankhafte Störung der Sexualpräferenz bestehe. Dem Antrag wurde stattgegeben. Das Gutachten wird in Auftrag gegeben, der Prozess wird erst fortgesetzt, wenn es dem Gericht vorliegt.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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