Gereizte Stimmung nach Schichtende:Beleidigung bleibt Beleidigung

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Angeklagte blitzt vor Gericht mit Einwand ab, sie habe Kollegen nicht direkt angesprochen

Beleidigungen können, auch wenn sie vielleicht nicht direkt gegenüber einer anderen Person ausgesprochen wurden und nur aus zwei Wörtern bestehen, einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstellen. Das sah jedenfalls Richterin Sabine Schmaunz so und folgte damit der Meinung der Staatsanwältin. Im vorliegenden Fall am Amtsgericht Erding führte dies für die 48-jährige Angeklagte zu einem Schuldspruch und einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen von je 30 Euro und zur Übernahme der Kosten des Verfahrens, auch wenn sie bis zuletzt darauf beharrte, unschuldig zu sein und niemals "Scheiß Neger" gesagt zu haben. Ihr Verteidiger meinte zudem, dass es sich um "keine typische Beleidigung" handelt, weil sie ihren damaligen Kollegen nicht direkt angesprochen habe.

Im Gegensatz zum Beleidigten, der als Zeuge angehört wurde, wollte die Angeklagte noch eine gute Erinnerung an den Vorfall im Juni 2016 in einem Pausenraum am Flughafen haben. Nach ihrer Schilderung habe sie damals Schichtende gehabt und sei - mit leichter Verspätung - in den Pausenraum gekommen. Dort hätte normalerweise ein Bund mit Schlüsseln für den Dienst an den Kollegen übergeben werden sollen. Erst als sie einen privaten Schlüssel von dem Bund für ihren Spind benötigt hätte, sei ihr aufgefallen, dass der weg ist. Und das, obwohl derjenige, der ihn in Besitz nimmt, eigentlich im Dienstbuch dafür unterschreiben hätte müssen. Was aber nicht passiert sei. Sie habe daraufhin den Schichtleiter angerufen. Der habe ihr bestätigt, dass der Kollege ihn schon habe. Um an ihren Spind zu kommen, sollte der Kollege ihr den Schlüsselbund kurz bringen.

Über das, was dann passiert ist, gibt es zwischen den beiden damaligen Kollegen unterschiedliche Ansichten. Die Angeklagte sagte, der dunkelhäutigere Kollege sei angesäuert in den Pausenraum gekommen und habe den Schlüsselbund einfach auf den Tisch geworfen. Sie habe dann den Spind aufgesperrt und den Bund ebenfalls vor ihm auf den Tisch geworfen. Der damalige Kollege - heute arbeitet er bei einer anderen Firma - habe die Schlüssel an sich genommen und sei gegangen. Sie habe dann mehr oder weniger zu sich selber gesagt: "Wo samma denn?" Aber da sei er schon weg gewesen.

Laut der Schilderung des Kollegen sei die Angeklagte schon bei der Dienstübergabe sauer gewesen, weil sie wohl nach Hause wollte und zu spät aus dem Dienst kam. Und weil es ihm auch pressiert habe, da seine Schicht schon lange angegangen sei, habe er sich die Schlüssel einfach genommen. Als er ihr dann beim zweiten Mal die Schlüssel auf den Tisch gelegt habe, sei kein Wort gefallen. Beim Rausgehen habe er an der Tür die Beleidigung gehört, sie aber zunächst gar nicht glauben wollen. Da es ihm aber diesmal ebenfalls pressiert habe, sei er nicht näher darauf eingegangen. Später an dem Tag haber er aber den einzig weiteren anwesenden Kollegen gefragt, und der habe ihm die zwei gefallen Wörter bestätigt. Zunächst habe er noch auf eine Entschuldigung der Frau gewartet, aber nachdem diese nicht gekommen sei, sei er zum Schichtleiter gegangen. Der habe aber abgewiegelt, weshalb er zum Bereichsleiter gegangen sei. Der habe zwar gesagt, dass er mit der Kollegin wegen des Vorfalls reden würde, aber nichts sei passiert. Deshalb habe er auch erst einen Monat danach die Anzeige gestellt. Dass es schon einmal zwischen ihnen beiden etwas Zank gegeben habe wegen eines Kaffees, verneinte er.

Dass die beiden mehr oder weniger die Schlüssel nur auf den Tisch geworfen haben, bestätigte der ebenfalls dabei gewesene Kollege, der vor Gericht als Zeuge aussagte. Sie habe die zwei Worte wohl verärgert vor sich hin gesagt, weil sie wegen des Schlüssels später heim kommt. "Aber laut genug gesagt, dass es jeder hören konnte", sagte der Zeuge.

Angesichts dieser Aussage versuchte der Verteidiger, die eventuell doch gefallenen Worte nur so "als dahingesagt" darzustellen, sie seien aber nicht bewusst an eine bestimmte Person gerichtet gewesen und damit keine Beleidigung. Doch Richterin Sabine Schmaunz ließ sich darauf nicht ein. Verteidiger und Angeklagte zogen deshalb den Einspruch gegen den ursprünglichen Strafbefehl zurück, was die Richterin und die Staatsanwältin als indirektes Eingeständnis der Beleidigung werteten.

© SZ vom 21.01.2017 / wil - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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