Schrottmaschinen im FFH-Gebiet:Undankbare Unken

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So sieht es in dem FFH-Gebiet aus: Die Baumaschinen sind eingewachsen. (Foto: Renate Schmidt)

Im Landkreis Erding gibt es seit langem ein extra für Gelbbauchunken ausgewiesenes FFH-Gebiet. Die seltene Amphibienart sind dort freilich seit 20 Jahren verschwunden. In dem Naturschutzgebiet von europäischem Rang dümpeln dafür alte Baumaschinen vor sich hin

Von Florian Tempel, Erding

Jeder kennt den Begriff Fauna-Flora-Habitat, kurz FFH-Gebiet. Da geht es um Naturschutz auf europäischer Ebene, um strenge Verpflichtungen zum gezielten Artenschutz. Die FFH-Gebiete sind "Eckpfeiler unserer bayerischen Naturschutzpolitik", heißt es auch in einer Broschüre, für welche die damalige Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) vor zwei Jahren das Vorwort schrieb. Bayern übernehme mit den FFH-Gebieten "die Verantwortung für den Erhalt, Pflege und wenn nötig auch Wiederherstellung" seines "wertvollsten Naturkapitals". Das hört sich gut an.

Der Erdinger Dietmar Enderlein engagiert sich in seiner Freizeit beim Bund Naturschutz ganz gezielt für den Schutz der Gelbbauchunke. Da träfe es sich gut, dass es im Landkreis Erding ein eigens für diese bedrohte Amphibienart ausgewiesenes FFH-Gebiet gibt. Denn das hat Seltenheitswert, so etwas gibt es nicht oft. Die "Aufgelassene Sandgrube östlich Riding - FFH-Gebiet 7638-301" ist extra wegen und für Gelbbauchunken unter europäische Naturschutz gestellt worden. Die Sandgrube bei Riding ist in der Tat etwas Besonderes. Es gibt dort alles mögliche, aber keine Gelbbauchunken.

Aus einem schrottigen Tankanhänger hängt ein Schlauch mit einer Zapfpistole. (Foto: Renate Schmidt)

Als Enderlein im FFH-Gebiet bei Riding nach Gelbbauchunken suchte, fand er kein einziges Exemplar. Dafür stieß er auf eingewachsene Baumaschinen und einen schrottigen Tankanhänger, aus dem eine Zapfpistole heraushängt. Naturfreund Enderlein fand das so irritierend und so diskrepant, dass er sich schließlich entschloss, die Sache "wegen Umweltverschmutzung und akuter Gefahr für das Grundwasser" zur Anzeige zu bringen. Er hat seine Wahrnehmungen kurz und knapp zusammengefasst: "Augenscheinlich sind die Fahrzeuge nicht trockengelegt. Starker Ölgeruch ist wahrnehmbar. Es finden sich ölverschmutzte Behälter. Erdreich ist ebenfalls bereits sichtbar betroffen. Es bleibt zu befürchten, dass durch die maroden Schläuche weitere Betriebsmittel (Dieselöl, Schmieröl, Hydrauliköl) austreten werden."

"Alleine das Vorhandensein von Baumaschinen in der Grube ist noch nicht rechtswidrig"

Neben den eingewachsenen Baumaschinen liegt, wie ein schlechter Witz, ein Parkverbot-Schild. (Foto: Renate Schmidt)

Die Naturschutzbehörden wiegeln auf Anfrage der SZ jedoch weitgehend ab. "Alleine das Vorhandensein von Baumaschinen in der Grube ist noch nicht rechtswidrig", teilt Christine Klostermann mit, die Leiterin des Fachbereichs Umwelt und Natur am Landratsamt. Eine Einschätzung, der sich die Höhere Naturschutzbehörde bei der Regierung von Oberbayern anschließt. Dass nach Öl stinkende alte Baumaschinen in einem Naturschutzgebiet rumstehen dürfen, während die Tierart, wegen der das Areal unter Naturschutz gestellt wurde, verschwunden ist, ist freilich nicht leicht zu verstehen.

Die zum FFH-Gebiet erklärte Sandgrube ist Privatbesitz, sie gehört dem Unternehmen Fehlberger. Geschäftsführer Markus Fehlberger kann sich noch gut daran erinnern, wie 2006 der sogenannte Managementplan für das Gebiet beschlossen wurde. Auch die SZ Erding berichtete damals darüber. Das Ganze wurde vom Landratsamt als Vorzeigeprojekt dargestellt. Markus Fehlberger weist heute daraufhin, dass in der damals getroffenen Vereinbarung stehe, dass sein Unternehmen die Grube zum Verfüllen hernehmen dürfe. "Wir haben dafür nach wie vor eine Genehmigung." Dass es in dem Gebiet keine Gelbbauchunken gibt, wundert ihn übrigens nicht: "Die konnten mir noch nie eine einzige da zeigen."

Tatsächlich steht sogar in den offiziellen FFH-Unterlagen von 2006, dass es keinen Nachweis für Gelbbauchunken in der Sandgrube gebe. Nur: "Der früher relativ große Bestand laichender Gelbbauchunken war der Grund für die Meldung als FFH-Gebiet." Konkret wurden dort zuletzt 1997 in einer Pfütze Kaulquappen der Gelbbauchunke gesichtet. Auf dieser Beobachtung beruht letztlich alles weitere.

Ist es einfach nur Pech, dass die geschützten Amphibien weg sind und nicht wiederkamen? Sind das vielleicht nicht nur seltene, sondern auch undankbare Unken? Das Landratsamts räumt ein, dass "das Ziel, die Population der Gelbbauchunke und ihres Lebensraumkomplexes aus kleinen Gewässern sowie Lebensräumen in den umliegenden Wäldern zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen, bislang nicht erreicht werden konnte".

Die zum FFH-Gebiet erklärte Sandgrube ist Privatbesitz, sie gehört dem Unternehmen Fehlberger. (Foto: Renate Schmidt)

Manfred Drobny, Kreisgeschäftsführer beim Bund Naturschutz, findet, so einfach dürfe man es sich nicht machen. Mit der Ausweisung der Ridinger Sandgrube als FFH-Gebiet "besteht für den Freistaat Bayern eine Verpflichtung für die Gelbbauchunke etwas zu tun".

Der Landkreis Erding hätte sich zum Beispiel am Projekt "Allen Unkenrufen zum Trotz" beteiligen können. Bei diesem Projekt, das vom Bundesamt für Naturschutz und dem Bundesumweltministeriums gefördert wird, wird versucht, den stetig kleiner gewordenen Lebensraum der Gelbbauchunke zu verbessern. Projektleiterin Judith Jabs-Ingenhaag hat ihr Büro im Landratsamt Freising. Das Projektgebiet erstreckt sich von Neuburg an der Donau bis nach Altötting über sechs Landkreise, aber nur drei beteiligen sich finanziell. Der Landkreis Erding hat als einziger zwar ein spezielles für Gelbbauchunken ausgewiesenes FFH-Gebiet, überlässt das Engagement in Sachen Unkenschutz aber ganz dem Bund Naturschutz. Enderlein und andere von der BN-Kreisgruppe Erding sind in einem Video zu sehen, das auf der Homepage des Gelbbauchunken-Projekts zu finden ist. Es zeigt, wie sie in der Nähe von Hörlkofen mit einem Bagger Laichgewässer für die selten gewordenen Amphibien anlegen. Im FFH-Gebiet in Riding könne man so etwas nicht machen, sagt Projektleiterin Judith Jabs-Ingenhaag. Dort gelte ja ein eigener Managementplan.

Markus Fehlberger sagt, er werde die alten Baumaschinen wohl bald mal abtransportieren. Einer der Bagger, der da schon ewig im Gebüsch steht, liege ihm besonders am Herzen. Den will er restaurieren, der habe schon absoluten Seltenheitswert.

© SZ vom 02.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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