Gasthaus am Markt, Mayrwirt, Wagnerwirt...:Traditionsgaststätten verschwinden

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Schwierige Personalsituation, Konkurrenz von Vereinsheimen und bürokratische Hürden verdrängen die alten Wirtschaften. Das hat auch Auswirkungen auf Zulieferer wie Metzgereien und Brauereien

Von Korbinian Hartmann, Landkreis

Am 31. Dezember ist Schluss: Dann schließt das Gasthaus am Markt in Dorfen. Näher will sich der Betreiber dazu vorerst nicht äußern. Dass der Landkreis Erding damit eine Traditionsgaststätte verliert, ist allerdings kein Einzelfall. Immer mehr bayerische Wirtshäuser schließen und bleiben häufig leer. Findet sich ein neuer Pächter, werden daraus oft Restaurants mit ausländischer Küche.

Laut bayerischem Landesamt für Statistik ist die Zahl der Gaststätten und Betriebe für den Ausschank von Getränken im Landkreis Erding zwischen 2008 und 2017 nur leicht rückläufig. Traditionsgaststätten sind allerdings nicht extra aufgeführt. Doch auch Erding ist vom Wirtshaussterben betroffen, wie der Rest Bayerns, sagt Frank-Ulrich John, Pressesprecher des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands. Im deutschlandweiten Vergleich stehe das Bundesland sogar an zweiter Stelle. Die Gründe dafür sind vielfältig, am schwersten wiegen aber drei Probleme: bürokratische Hürden, unfaire Wettbewerbsbedingungen und die Suche nach Mitarbeitern.

Der Anteil an Erwerbstätigen in der Branche sei zwar in den vergangenen zehn Jahren um 44 Prozent gestiegen, so John. Doch von dem Mitarbeiterzuwachs profitieren in erster Linie Hotels, Eventcatering-Unternehmen, Cafés und die Systemgastronomie, zu der auch McDonald's zählt. "Traditionelle Wirtshäuser haben dagegen Schwierigkeiten, Köche zu finden." Das habe vor allem mit den Arbeitszeiten zur tun. In Deutschland dürfe ein Beschäftigter maximal zehn Stunden am Tag arbeiten. "Laut einer EU-Richtlinie sind zwar auch zwölf Stunden erlaubt, wenn damit die 40-Stunden-Woche nicht überschritten wird, aber in Deutschland wird das nicht angewandt."

Bernhard Rötzer kennt das Problem. Der Betreiber des Gasthauses zur Post in Erding, das im kommenden Jahr ebenfalls schließen wird, kann deshalb nur schwer lange Events wie Hochzeiten durchführen. "Solche Veranstaltungen dauern einfach länger als zehn Stunden, ich kann aber abends um 22 Uhr schlecht einen Schichtwechsel veranlassen." Rötzer fordert daher flexiblere Arbeitszeiten, dazu sei auch ein Großteil des Personals bereit. Abgesehen davon seien die Tätigkeiten als Koch oder Tellerwäscher hierzulande aber nicht mehr attraktiv. Italienische und griechische Gaststätten holten dagegen häufig Familienmitglieder aus dem Ausland nach. "Die Bereitschaft innerhalb der Familie sowie auch Geldsorgen sind da oft größer."

Ein weiteres Erschwernis, so Frank-Ulrich John, seien bürokratische Regelungen, die sehr aufwendig umzusetzen sind - wie beispielsweise die psychologische Gefährdungsbeurteilung. "Die Arbeitgeber sollen begutachten, wie belastend ihre Arbeitsplätze für die Psyche der Mitarbeiter sind." Ebenso zeitintensiv sei die Aufführung von Allergenen in den Speisen. Für viele kleine Betriebe sei das kaum zu schaffen, so John. Gleichzeitig gehe von ihnen auch keine vergleichbare Gefahr aus wie von großen Unternehmen mit einer größeren Reichweite. Daran schließt John das dritte Problem an: unfaire Wettbewerbsbedingungen. "Vereinsheime sind im Gegensatz zu Gaststätten nicht dazu verpflichtet, eine Liste mit Allergenen zu erstellen."

Zu den Vereinsheimen würden einige Stammtische wechseln, doch das sei nicht mit einem traditionellen Wirtshaus vergleichbar. "Dort trifft die ganze Ortsgemeinschaft aufeinander und nicht nur die wenigen Mitglieder eines Sportvereins", so John. Wirtshäuser seien, vor allem in kleineren Gemeinden, wichtige soziokulturelle Institutionen. Leicht sei es für Gemeinschaften trotzdem nicht, nach der Schließung eines Wirtshauses ein neues Stammlokal zu finden, wie Andreas Mayr sagt. Er bewirtete den Mayrwirt, bis die Stadt Erding 2017 den Pachtvertrag gekündigt hatte. "Wir hatten etwa 70 Stammtische, die zum Teil große Probleme hatten unterzukommen." In vielen Gaststätten seien sie nicht erwünscht gewesen, zum Beispiel wegen Parkplatzmangels.

Einen weiteren Nachteil hat die Schließung von Traditionslokalen für die regionalen Wirtschaftsstrukturen. "Die Wirtshäuser werden von Brauereien und Metzgereien aus der Region versorgt", sagt John. Die Brauerei Bachmayer aus Dorfen, die auch das Gasthaus am Markt in Dorfen verpachtet, bekommt es zu spüren, wenn Lokale schließen und weniger Bier gekauft wird. "Allerdings sind die Einbußen nicht groß, es finden sich immer wieder neue Abnehmer", so der Geschäftsführer Albert Hörmann. Rötzer denkt, dass die Veränderungen in diesem Bereich nicht mehr gravierend sind, denn: "Das Metzger- und Brauereisterben hat schon lange stattgefunden." Allerdings werde sich nach seiner Einschätzung die Personalsituation weiter verschärfen - und das Wirtshaussterben seinen Höhepunkt erst noch erreichen.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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