"Für mich ist das ein besonderer Dienst":Beten, reden, Kraft geben

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Wer aus Krankheitsgründen nicht in die Kirche gehen kann, zu dem kommt die Kirche ins Haus: Gerade vor Feiertagen wie Ostern ist die Krankenkommunion verstärkt nachgefragt

Von Regina Bluhme, Erding

Vor kurzem hat Kreisdekan Michael Bayer wieder ein Din A4-Blatt mit einer seitenlangen Excel-Tabelle abgearbeitet: die Anmeldeliste für die Krankenkommunion. Der katholische Priester hat Menschen besucht, die aufgrund von Altersgebrechen oder einer schweren Krankheit ans Haus gefesselt sind, hat mit ihnen einen gebetet und geredet. Gerade vor Feiertagen wie Ostern wird dieses Angebot der Kirche gern angenommen.

Michael Bayer, Landkreisdekan und Pfarrer vom Pfarrverband Moosinning, ist regelmäßig mit einer Krankenkommunion unterwegs. "Insgesamt sind wir zu sechst." Vor allem vor den Feiertagen sei dieses Angebot stärker nachgefragt. Für dieses Osterfest hat Dekan Bayer seine Liste bereits abgearbeitet. "Für mich ist das ein besonderer Dienst", sagt der Kreisdekan, auch weil er merke, "dass viele ganz alleine leben, und dann froh sind, wenn jemand kommt und mit ihnen ein bisschen ratscht und zuhört". Ab und zu werde ihm auch mal Kaffee oder Kuchen angeboten, aber das lehne er ab. "Dreimal am Vormittag Kaffeetrinken, das würde mir zu viel werden."

Die Hostie, die er zu den Kranken oder Gebrechlichen bringt, ist bereits geweiht. Sie wird in der Kirche im Tabernakel aufbewahrt und in einem speziellen goldenen Gefäß, der Pyxis, transportiert. Zuhause bei den Kranken legt Bayer eine Stola um und dann wird - so wie es eben möglich ist - ein kurzer Wortgottesdienst mit Bibellesung, Gebeten und Fürbitten gefeiert, oft direkt am Krankenbett. Bei den Gebeten passiere es immer wieder, dass gerade Ältere, die sich kaum mehr verständigen können, das "Vater unser" Wort für Wort mitsprechen. "Da sind hinterher schon Angehörige mit Tränen in den Augen zu mir gekommen und haben gesagt, dass zum ersten Mal seit langem wieder die Mutter oder der Vater gesprochen hat." Er nehme diesen Dienst sehr gerne wahr, betont der Pfarrer, "er ist wichtig, auch für uns".

Die Krankenkommunion gebe es schon seitdem die Kirche die Eucharistie feiere, erklärt Thomas Hagen, Leiter der Abteilung Krankenpostoral der Diözese München-Freising. Sie sei für Betroffene "ein sichtbares und lebendiges Zeichen, dass sie nicht allein sind" - und sie darf auch von den ehrenamtlichen Kommunionhelfern ausgeteilt werden. Diese würden geschult, zum einen im rituellen Ablauf, zum anderen in Gesprächsführung mit oft Todkranken.

Im Pfarrverband Reichenkirchen nehmen jeden ersten Freitag im Monat, dem traditionellen Herz-Jesu-Freitag, zwischen zehn und 15 Personen dieses Angebot wahr. Diakon Christian Pastötter teilt sich den Dienst in den fünf zusammengehörigen Pfarreien mit einem Geistlichen. "Wenn die Menschen nicht in die Kirche kommen können, dann kommt die Kirche zu ihnen", sagt Pastötter. Er mache den Dienst sehr gerne, und er nehme sich auch für jeden Zeit. "Wenn ich um 9 Uhr anfange, bin ich den ganzen Vormittag beschäftigt." Schließlich sei es wichtig, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. "Ich versuche auf die Situation einzugehen, erkundige mich, wie es geht, dann reden wir auch, das ist den Leuten ganz wichtig."

Pastötter macht den Dienst schon mehrere Jahre, die Begegnung mit Menschen, die an Altersgebrechen leiden oder an einer Krankheit und die vielleicht bald sterben werden, das habe für ihn "überhaupt nichts Negatives", im Gegenteil, "das ist eine schöne und wichtige Aufgabe."

Im Pfarrverband Erding-Langengeisling sind es nur wenige, die das Angebot annehmen, sagt Stadtpfarrer Martin Garmaier. Warum so wenig Nachfrage in der Großen Kreisstadt herrscht, erklärt er sich damit, dass in den Seniorenheimen ohnehin Gottesdienste gefeiert werden. Und zum anderen würden auch die TV-Gottesdienste gerne angenommen, wie er weiß. Das findet er auch ganz in Ordnung. Wichtig sei doch, dass die Menschen sich noch mit der Kirche verbunden fühlten.

Die evangelische Kirche kennt auch die Krankenkommunion, er werde aber nur sehr selten dazu gerufen, sagt Pfarrer Henning von Aschen. Ein kleiner "Abendmahlkoffer" stehe aber "handlich und schnell" bereit, mit Kelch, Schale, Dose für Hostien, Kerze und kleiner Stola.

Es komme auch vor, dass neben der Gabe der Kommunion auch eine Krankensalbung gewünscht werde, erklärt der Erdinger Stadtpfarrer Martin Garmaier. Oft sei von "Letzter Ölung" die Rede, "ein fürchterlicher Begriff", den es offiziell nie gegeben habe und der nur zu Ängsten bei den Menschen führe, so Garmaier. Die Frage, ob man ohne Salbung am Sterbebett auch in den Himmel komme, stelle sich einfach nicht. "Was wäre das für ein Gott, wenn es so wäre!" Die Salbung solle den Kranken Kraft geben, ihm sagen, dass er nicht allein ist. Er sei auch schon vor einer Operation zu einer Krankensalbung gerufen worden. "Wir können natürlich nicht heilen, aber stärken", so Garmaier. Er erlebe immer wieder, dass für todkranke Menschen sein Dienst sehr wertvoll sein kann.

Noch gut erinnert sich Martin Garmaier an eine junge, krebskranke Frau, die im Krankenhaus im Sterben lag. Er wurde von Angehörigen gerufen. Wegen eines anderen Termins kam er mit einstündiger Verspätung. Während der Salbung ist die Frau gestorben: "Sie hatte auf mich gewartet".

© SZ vom 18.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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