Fraunberg:Meisterhaftes Engagement

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Der 80-jährige Alfred Pichlmaier fertigt in seiner Werkstatt in Sandberg in der Gemeinde Fraunberg nicht nur Zupfinstrumente. Er hat sich zugleich international einen Namen als Entwickler gemacht und unter anderem das Hackbrett für alle Musikrichtungen geöffnet. Seit Jahren setzt er sich dafür ein, dass möglichst viele Kinder Zugang zur Musik erhalten

Von Theresa Lackner, Fraunberg

Zwischen Fraunberg und Riding wohnt einer, der sich mit seinem Handwerk nicht nur in Deutschland, sondern weiter über die Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht hat: Alfred Pichlmaier. Der 80-Jährige hat vor fast 50 Jahren, 1972, sein Gewerbe für den Zupfinstrumentenbau in Sandberg angemeldet: "Für die Anwohner war das erstmal ungewohnt", erinnert sich Pichlmaier zurück. Schließlich war er zuvor im Betrieb seines Vaters im Treppenbau und der Zimmerei tätig. Doch fünf Jahre später besteht Pichlmaier seine Meisterprüfung und entwickelt sich in den darauffolgenden Jahrzehnten zu einer Koryphäe im Bereich des Zupfinstrumentenbaus.

Alfred Pichlmaier mit einer Pedalharfe mit sechs Oktaven, eine Eigenkonstruktion. (Foto: Renate Schmidt)

Sein Engagement begann mit dem Einsatz für eine professionellere und zugänglichere Musikerziehung für Kinder im Landkreis. Pichlmaier, der selbst musikalisch begabt ist, und sich als Kind das Zitherspiel beibrachte, ärgerte sich damals, als er erfuhr, dass nur bestimmte Kinder Zugang zu Musikinstrumenten hatten, während andere auf der Strecke blieben. Alle Kinder und Jugendlichen sollten die Möglichkeit haben, Musik zu machen, trug er dem damaligen Landrat Simon Weinhuber vor. In der Folge entstand ein jährlicher Kreismusiktag, bei dem Kinder und Laiengruppen mit ihrer Musik auftreten können. Diese Tage finden großen Anklang. Obwohl die Begeisterung für die Musik in diesen Jahren groß ist, gab es damals keine Lehrkräfte, die den Kindern das Spielen der Musikinstrumente beibringen könnten. Zwar gaben Eltern, die einige Griffe auf der Gitarre oder ein Stück auf dem Klavier spielen konnten, dieses Wissen an ihre Kinder weiter, aber die Möglichkeit zum Unterricht im klassischen Sinne gab es nicht. Aus den musikalischen Entwicklungen im Landkreis wurde daraufhin auf Betreiben des damaligen Landrats Hans Zehetmair 1971 die Musikschule in Erding gegründet.

Pichlmaier schätzt, dass er während seiner Karriere einige 1000 Instrumente in seiner weiträumigen Werkstatt gebaut hat. (Foto: Renate Schmidt)

Der Zugang zur Musik für alle ist Pichlmaier heute noch ein Anliegen. Schon vor 30 Jahren habe man ihm gesagt, dass er doch mehr für seine Instrumente verlangen könne. Das wollte er aber nie. Er dachte dabei an Familien mit Kindern, für die die Kosten doch einen Unterschied machten: "Die Preise dürfen nicht zu hoch sein, sodass Kinder Zugang zu Instrumenten haben." Er habe sich in der Szene einen guten Ruf erarbeitet, aber ausnutzen möchte er diesen nicht. Trotz Verbindungen zu namhaften Musikerinnen, Professoren und Vereinen ist Pichlmaier immer bescheiden geblieben. Er hätte allen Grund dazu, mit seinen Werken etwas zu prahlen. Schließlich hat er der Hackbrettszene durch seine Arbeit zu einem Quantensprung verholfen. Denn Pichlmaier ist nicht nur Musikinstrumentenbauer, sondern auch Entwickler.

Ein sogenanntes Salterio. (Foto: Renate Schmidt)

Er entwickelte das Tenor- und Basshackbrett mit Dämpfung mit und machte das Hackbrett durch die Erweiterung des Tonumfangs "für alle Richtungen brauchbar", wie er sagt. Denn zuvor war das Hackbrett lediglich in der Volksmusik verbreitet. Komponist, Professor und Freund Karl-Heinz Schickhaus würdigte seinen Beitrag in einem Brief 1986 mit den Worten: "Nun gibt es also dank Meister Pichlmaier keinen Sektor Musik mehr ohne Hackbrett, vom Mittelalter bis zur U-Musik". Diese Weiterentwicklung führte auch dazu, dass am Münchner Konservatorium Hackbrett nun als Hauptfach, und nicht mehr nur als Nebenfach, gelehrt wurde. "Das war ein Schlag, ein richtiger Aufschwung für die jungen Leute", erzählt der Instrumentenbauer.

Impression aus der Werkstatt Alfred Pichlmaiers. (Foto: Renate Schmidt)

Pichlmaier schätzt, dass er während seiner Karriere einige 1000 Instrumente in seiner weiträumigen Werkstatt gebaut hat, die gesäumt ist von Urkunden, Fotos und nationalen wie internationalen Festivalplakaten. Man findet dort nicht nur verschiedenste Maschinen zur Bearbeitung von Holz, sondern auch eine Mechanikwerkstatt, denn oft wird jedes einzelne Teil eines Instruments von ihm selbst hergestellt. Wenn man bedenkt, wie filigran gearbeitet, wie genau alles dokumentiert und wie präzise gerechnet werden muss, wird klar, dass das nicht das Ergebnis weniger Tage sein kann. Für die Fertigstellung der mannshohen Harfe, die sich momentan in seiner Werkstatt befindet, brauchte er ungefähr einen Monat.

Aus gesundheitlichen Gründen stellt der 80-Jährige seit einigen Jahren keine regulären Hackbretter mehr her. Das heißt aber nicht, dass seine Werkstatt ruht, denn ab und an kommt ein Spezialauftrag oder eine Reparatur, der er sich dann doch wieder annimmt. Während der Jahre haben viele historische Schmuckstücke den Weg nach Sandberg gefunden. So restaurierte er ein Salterio des berühmten holländischen Geigenbauers Hendrik Jacobs aus dem Jahr 1692 und eine Pariser Harfe aus dem Jahr 1810. Anhand einer Zeichnung aus einem Kunst- und Wunderbuch von 1795 baute er ein Hackbrett nach.

Seine Expertise habe er sich selbst erarbeitet, denn eine Fachschule an sich habe er nie besucht. Möglich aber, dass gerade das sein Vorteil ist, denn als Quereinsteiger stelle man sich viel häufiger die Frage, warum etwas auf bestimmte Art und Weise gebaut wurde. "Wie haben die alten Meister gearbeitet?", fragt sich Pichlmaier, wenn ein historisches Instrument zur Restaurierung vor ihm steht: "Man lernt mit jedem Instrument dazu, denn jedes ist anders". Die Faszination, die ihn treibt, spürt man, wenn er darüber spricht, wie er sich in die Rolle alter Instrumentenbauer hineinversetzt, in die historischen Umstände und den Kraftaufwand, den Maschinen heute verringern. Der begrenzten Möglichkeiten und Ressourcen von damals sei er sich bewusst und trotzdem: "Aus einem Goggomobil kann man keinen Mercedes machen."

Seine Instrumente sieht er immer mal wieder zufällig in Fernsehaufnahmen, zuletzt während eines Beitrags über das Konservatorium in Lyon. Auch die Sendung mit der Maus hatte er in seiner Werkstatt schon zu Gast. Weit herumgekommen sind seine Instrumente in jedem Fall - erst vor kurzem schickte er einer Kundin einen neuen Stimmschlüssel nach Neuseeland. Seine Instrumente sind in Sandberg daheim und in der Welt zu Hause. Ende des Jahres werden zwei Pichlmaier-Instrumente außerdem Teil einer Ausstellung im Erdinger Bauernhausmuseum sein.

© SZ vom 07.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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