Fraunberg:"An Wirt braucht koana"

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Josef Stulberger von der gleichnamigen Gaststätte in Fraunberg ist verärgert über die Corona-Politik

Von Gerhard Wilhelm, Fraunberg

"An Wirt braucht koana" steht auf einer Tafel an der Erdinger Straße in Fraunberg. Der Wirt, den keiner braucht nach seiner Meinung, heißt Josef Stulberger. Die Wirtschaft, die er seit 37 Jahren mit seiner Frau führt, ist vielen im Landkreis und darüber hinaus einfach als "der Stulberger" bekannt. Und die Tafernwirtschaft gibt es an der Stelle mittlerweile seit 1523. Eine lange Zeit. Wirt Josef Stulberger will mit dem Schild nicht den Eindruck erwecken, dass er über seine Situation seit dem ersten Lockdown wegen Covid-19 jammern will, sondern es ärgert ihn maßlos, dass die große Politik mit zweierlei Maß misst: Die Wirtschaft im Allgemeinen komme ohne Schließung aus und die Gastronomie sei seit Monaten zu. Müsste er Pacht zahlen, hätte er schon lange das Handtuch geworfen. In dem Punkt habe er im Gegensatz zu Kollegen Glück. Mit der Konzeptionslosigkeit der Politik ruiniere man viele Betriebe, sagt Josef Stulberger.

"Entstanden ist die Tafel, als wir uns mal wieder richtig geärgert haben über einige Entscheidungen." Als man Mitte März 2020 zum ersten Mal schließen musste, habe man es erst gar nicht fassen können. Dass man eine Wirtschaft zusperren muss, habe man sich nicht vorstellen können bis dahin. Und der Name Stulberger ist seit 1829 mit der Wirtschaft verbunden, als die damalige Besitzerin Anna Göttner den 26-jährigen Benedikt Stulberger, einen Metzgersohn aus Wartenberg, heiratete. 1840 wurde die Wirtschaft neu erbaut. 1977 wird dann Josef Stulberger Eigentümer. Heute ist die frühere Tafernwirtschaft ein Familienbetrieb. Betrieb ist vor allem an Wochenenden. Das Haus verfügt über große Erfahrung im Ausrichten von Festlichkeiten und Veranstaltungen. Es gibt eine Gaststube und einen Saal mit einem Fassungsvermögen bis zu 280 Personen. Für die Küche ist Ehefrau Marianne zusammen mit Sohn Josef, der seine Kochlehre bei Käfer München absolvierte, zuständig.

Mit der Außengastronomie nach dem ersten Lockdown habe man leben können, sagt Stulberger. Man habe ein strenges Hygienekonzept erstellt, für das eine Arbeitskraft abgestellt gewesen sei. "Bei uns ist jeder Gast persönlich empfangen worden, registriert und zum Tisch gebracht worden. Im Sommer waren wir an manchen Sonntagen so gut besucht, dass wir Gäste abweisen mussten." Die Küche sei oft zu 100 Prozent ausgelastet gewesen. "Die großen Veranstaltungen hatten wir nicht mehr, aber das wurde damit kompensiert. Damit hätten wir weiterhin leben können."

Die erste "Tafern zu Fraunberg" wird 1523 erwähnt. (Foto: wil/oh)

Von vielen Kollegen habe er gehört, dass diese Zeit sie wieder geerdet habe. Man habe gesehen, dass es anders auch geht, dass weniger oft mehr sei, sagt Stulberger.

"Wir haben aber eine komfortable Situation. Wenn ich eine Pachtwirtschaft haben würde, ich hätte mich sofort verabschiedet." Zumal das Procedere der Entschädigungszahlungen sehr lange dauere und man oft Monate später erst Geld bekommen. Die Steuerberater würden auch deshalb schon länger "am Rad drehen", weil es ständig Änderungen gebe im Antragsprozess. Der sei für Otto Normalverbraucher nicht zu verstehen. Da würde schon sein Steuerberater zu knabbern haben.

Abgesehen von den komplizierten Antragsverfahren sieht Stulberger auch andere Probleme für die Wirte: "Um die Hygieneauflagen einzuhalten, musste von den Wirten in Vorleistungen getreten werden, zum Beispiel für Trennwände. Wenn man eh schon finanziell angeschlagen ist, ist das nicht einfach", sagt Josef Stulberger. Wann man das Geld dann erstattet bekomme in Form staatlicher Unterstützung, wisse man nicht. Die Kredite, die man zwar günstig aufnehmen konnte, seien aber für den Wirt "wie ein schwerer zusätzlicher Rucksack, der ihn irgendwann zu Boden zieht". Das Geschäft sei ja weg und mit dem normalen Geschäft nach der Wiedereröffnung seien diese Summen nicht zu stemmen. "Wenn einem eh schon das Wasser bis zum Hals steht, dann hat man das Geld vielleicht gar nicht. Zumal, wenn nicht alle Fixkosten erstattet werden."

Absolut undurchdacht findet er die Aufforderungen, Gutscheine zu kaufen, um damit die Gastronomie zu unterstützen. "Das ist nichts anderes als ein kleiner Kredit, den sie dem Wirt geben. Ein Kredit, der vom Wirt unkontrolliert irgendwann eingefordert wird, wenn der Gast da ist. Das Geld vom Gutschein hat man ja schon ausgegeben und muss dann ohne Bezahlung arbeiten."

Was Josef Stulberger richtig ärgert, "ist das Unvermögen, die Kopflosigkeit der Politik". Man müsse sich fast schämen für das Impfchaos, die überbordende Bürokratie. Auf dem Land gebe es zum Glück viele eingesessene Wirte, die oft noch parallel Einkünfte hätten. Doch sogar diese alten traditionellen Gasthäuser wären in ihrer Existenz gefährdet. Man denke selber schon ab und an alles hinzuwerfen, aber man halte den Erhalt der Tradition für wichtiger.

Mit der Tafel will Wirt Josef Stulberger zeigen, dass er enttäuscht ist von den Corona-Beschlüssen der Politiker. (Foto: wil/oh)

Besser wäre es nach Meinung des Wirtes, kurze, strikte Lockdowns zu verhängen. Dass man was unternehmen müsse, um die Infektionszahlen zu senken, wisse man, und man sei auch bereit, einen Anteil zu leisten. Aber dass die großen Firmen, die Industrie, das Handwerk, wo es Millionen von Arbeitsplätzen und Kontakte gebe, ausgenommen werden, ärgere ihn. "Man braucht uns scheinbar nicht, opfert uns für die anderen. Es geht nicht darum, dass wir Wirte mit Gewalt aufmachen wollen, weil wir selber für eine baldige Beendigung der Corona-Pandemie im eigenen Sinne sind, aber es geht um die Verhältnismäßigkeit. Unsere Tafel drückt dies aus. Andere braucht man wohl, uns nicht. Dabei haben wir von Anfang an Hygienekonzepte erarbeitet und uns an die gehalten. Gehen Sie mal in einen Supermarkt. Abstände werden dort nicht eingehalten."

Auf seine Tafel habe er nur positive Resonanz bekommen. Unter anderem ein Herz, auf dem man versichert bekommen habe, dass man sie sehr wohl brauche. "Das war dann schon gut zu lesen."

Stulberger erwartet, dass zunächst wieder die Außengastronomie öffnen darf - wohl erst im Mai. "Aber das ist vor allem für Wirte und Cafés in der Stadt bei einer guten Lage mit Laufkundschaft interessant. Unter der Woche können die bei gutem Wetter ihr Geschäft machen, aber nicht die Wirte auf dem Land und in kleinen Ortschaften. Da erwirtschaftet man nur am Wochenende, vor allem Sonntag sein Geld. Aber es ist immerhin ein erster Schritt", sagt Josef Stulberger. So entspannt würden dies Wirte, die in Pacht seien, aber nicht sehen können. Da seien die Fixkosten weitaus höher. Manche würden sagen, man jammere nur, aber es gehe ihm darum, dass alle ihren Anteil leisten, nicht nur eine Minderheit.

© SZ vom 10.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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