Flüchtlinge an der Berufsschule:Neues Schuljahr, neue Chancen

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Auch an der Berufsschule Erding hat das neue Schuljahr begonnen. Alle sind gut untergebracht, darunter auch viele Flüchtlinge. (Foto: Renate Schmidt)

Die Berufsschule Erding erhöht die Zahl der Klassen für Flüchtlinge. In dem Gebäude wird es eng, doch für dieses Schuljahr sind alle untergebracht

Von Christoph Schlenker, Erding

Für 180 Schüler der Dr.-Herbert-Weinberger-Berufsschule in Erding hat in diesen Tagen nicht nur ein neues Schuljahr begonnen, sie haben auch die Chance auf ein ganz neues Leben: In zehn Klassen zu maximal 20 Schülern unterrichten die Lehrer in diesem Schuljahr berufsschulpflichtige Asylbewerber und Flüchtlinge. Damit hat sich die Zahl der Klassen für Flüchtlinge an der Berufsschule seit November vergangenen Jahres verdoppelt. 28 Schüler besuchen zudem die Außenklasse des Berufsbildungswerks St. Zeno in Kirchseeon. Es sind vorwiegend unbegleitete Minderjährige, die an der Berufsschule aufgenommen und zwei Jahre lang unterrichtet werden. Ziel ist es, dass sie eine Ausbildung beginnen und in den normalen Berufsschulalltag wechseln können.

Durch die Ausbildung finde letztendlich der eigentliche Integrationsprozess statt, sagt Schuldirektor Dieter Link. Die Flüchtlinge gingen mit Gleichaltrigen in eine Klasse, lernten den gleichen Stoff und den gleichen Beruf wie sie. Man befinde sich in einem engen Verband. Während der ersten zwei Jahre sind die Flüchtlingen noch etwas abgegrenzter von ihren Mitschülern. Das liege an den gesonderten Klassen, zum Teil aber auch an der Sprachbarriere.

Mit zehn zusätzlichen Klassen wird es laut Link zwar etwas eng im Schulhaus. Die Schulleitung habe aber speziell für dieses Jahr "alles aus dem Gebäude rausgeholt", sodass keine Platzprobleme entstehen sollten, sagte Link. Darüber hinaus stehe er in ständigem Kontakt zum Landratsamt, denn der Landkreis ist der Sachaufwandsträger der Schule.

Längerfristig hoffe er auf ein Gleichgewicht zwischen neuen Klassen und solchen, deren Schüler in eine Ausbildung wechselten oder einen Abschluss machten, sagt Link. Sollten sich die Zahlen so weiterentwickeln wie zuletzt, werde es keine Raumnöte geben. Auch die Berufliche Oberschule Erding unterrichtet dieses Jahr zwei Berufsintegrationsklassen. Weil das Projekt bayernweit an den Berufsschulen laufe, werde die Personaldecke aber "langsam dünn", sagt der Schuldirektor. Deswegen stellt er auch Gymnasiallehrer mit entsprechenden Qualifikationen oder mit der passenden Fächerkombinationen wie etwa Deutsch-Sozialkunde ein.

"Im Grunde genommen ist alles organisiert", sagt Link mit Blick auf den Start in das neue Schuljahr. Einige Überraschungen berge der aber immer. So haben sich dieses Jahr weit mehr angehende Zimmerer angemeldet als erwartet, eine neue Klasse musste aufgemacht werden. Wenn die Dinge allerdings weiterhin so liefen wie zu Beginn, sei er sehr zufrieden, sagte Link. Durch die neuerlichen Entwicklungen werde kein Schüler beeinträchtigt oder vernachlässigt.

Die Schule arbeitet auch mit der Brücke Erding und den Beruflichen Förderzentren der Bayerischen Wirtschaft zusammen. Die Kooperationspartner stellen Sozialpädagogen und Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache, während die Lehrer der Berufsschule Fächer wie etwa Sozialkunde, Landeskunde oder Ethik unterrichten. Die hier vermittelten Inhalte dienen dazu, die "Lebensfähigkeit in der Gesellschaft zu erhöhen", sagt Dieter Link. Davon abgesehen schafften die weit gefassten Themen dieser Fächer stets neue Anreize für Diskussionen und Gespräche. Und hier liegt auch der Fokus des ersten Schuljahres - auf dem Deutschlernen. Besonders wichtig ist dabei der Praxisbezug, wie das ISB Bayern auf seiner Internetseite angibt.

Wenn die sprachliche Grundlage geschaffen ist, wird im zweiten Jahr, der sogenannten Berufsintegrationsklasse, neben der Allgemeinbildung verstärkt an der beruflichen Orientierung und der Ausbildungsreife der Jugendlichen gearbeitet. Mehrere Praktika und Praxis-Unterricht sollen helfen, die Vorlieben, Stärken und Schwächen der einzelnen Schüler zu ermitteln. Die Zusammenarbeit mit Psychologen und Sozialpädagogen helfe zudem, den oft schwer traumatisierten Flüchtlingen zu helfen, sagt Dieter Link.

© SZ vom 19.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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