Fassadenpreis:Feine Auswahl

Lesezeit: 3 min

Es ging nicht unbedingt um Fassaden bei der diesjährigen Verleihung des Erdinger Fassadenpreises. Trotzdem überzeugen die fünf sehr unterschiedlichen Preisträger mit ganz eigenen Qualitäten

Von Mathias Weber, Erding

Es ist ein Gedanke, der wohl einigen Besuchern der Verleihung des diesjährigen Fassadenpreises bei der Vorstellung der ausgezeichneten Gebäude durch den Kopf gegangen war, und ein Besucher hat es schließlich mehr laut als leise vor sich hin gemurmelt: "Und was hat das jetzt mit der Fassade zu tun?"

In der Tat, bei einigen Gebäuden, die den Preis in diesem Jahr verliehen bekamen, verlor Helmut Miller vom Bauamt des Landkreises kein Wort über die Fassaden der jeweiligen Preisträger. Aber das darf man nicht so streng sehen: Es geht ja nicht nur um die Fassade. Wichtig sind dem Verein für Heimatschutz und Denkmalpflege, der den Preis jährlich vergibt, auch andere Aspekte: Die Häuser sollen das Ortsbild bereichern und bewahren, sie sollen sensibel mit dem Ort umgehen. So darf man den Fassadenpreis nämlich auch verstehen: Ein Preis für Bauherren, die hochwertig bauen und sanieren, die mit Weitblick arbeiten; ein Erdinger Architekturpreis sozusagen. Wenn dann auch noch die Fassade passt - umso besser.

Betrachtet man den Fassadenpreis unter diesem Aspekt, haben dieses Jahr sicher nicht die Falschen gewonnen. Alle in den fünf Kategorien ausgezeichneten Bauten verfügen über hohe Qualität - sei es in der Bauausführung, in der Gestaltung oder im städtebaulichen Zusammenhang. Das zeigt, dass im Landkreis Erding hochwertig gebaut wird - und das, obwohl die Behörden, wie Landrat Martin Bayerstorfer bei der Preisverleihung am Dienstagabend im Fischers Seniorenzentrum sagt, keine so große Kontrolle mehr über das Erscheinungsbild von Bauten haben, wie das einmal der Fall war. Genehmigungstechnisch liege die Beweislast jetzt bei den Behörden, sie müssten nachweisen, dass ein Gebäude "grob verunstaltend" sei. Das aber sei schwierig, schließlich lässt sich über Geschmack ja bekanntlich vortrefflich streiten.

Und Streit wird es wohl auch über einige der diesjährigen Preisträger geben, allen voran wahrscheinlich über den Gewinner in der Kategorie "Neubau gewerblich". Die Stadtwerke Erding haben mit ihrem Neubau Am Gries in Erding die Jury - die Vorstandschaft des Vereins - überzeugt. Miller hob die öffentliche und gläserne Erdgeschossebene hervor sowie deren spannende Beleuchtung in der Nacht. Auch wurde die Neugestaltung der Straße vor dem Gebäude gelobt, dessen Verschmälerung und der neue Kreisel. Bezüglich der Fassade wurde nur angemerkt, dass das Gebäude sehr gut gedämmt sei. Kein Wort aber zur äußeren Gestaltung an sich: Sie ist sehr dunkel und bricht mit der Umgebung, ebenso wie die gesamte Kubatur des Gebäudes, das mit seinem Flachdach wenig gemeinsam hat mit den Satteldächern der Umgebung. Ob diese Entscheidung einstimmig gefallen war, bleibt das Geheimnis der Jury; wie es hieß, gäbe es bisweilen auch sehr knappe Entscheidungen.

Weniger umstritten dürfte die Entscheidung bei den Sanierungen gewesen sein. Besonders sticht hier die Renovierung des enormen Anwesens hervor, das Andreas Wimmer im kleinen Ort Straßham bei Forstern gestemmt hat. Das typisch bairische Wohn- und Stallungsgebäude war zuletzt in den 70er-Jahren im Stil der Zeit umgebaut worden. Wimmer hat ihm nun aber wieder eine Geschichte gegeben: Die historischen Proportionen der Fassade wurden wiederhergestellt, besondern beeindruckend sind die Putzdetails sowie die vielen Ornamente. Das Highlight des Projektes ist das einzigartige Hennenhaus aus dem Jahr 1938, das mit einer kleinteiligen Holzornamentik glänzt.

Ähnlich fein wurde ein Bauwerk in Erding saniert. Das ehemalige Antoniusheim an der Prielmayerstraße - eines der ältesten Gebäude der Stadt - beherbergt heute, zusammen mit einem anschließenden Neubau, das Museum. Auch hier beeindrucken die Ideen (etwa, eine Seite des Heimes in das Atrium des Museums zu integrieren) mehr als die eher unspektakuläre Fassade. Helmut Miller sagte: "Wegen der besonderen historischen Tiefenschärfe kann sich das Antoniusheim neben dem Neubau behaupten."

Schließlich fehlen noch zwei Neubauten: Zum einen ist für die Gemeinde Wörth das neue Gemeindezentrum ein richtiger Gewinn. Mit dem Bau des Gemeindehauses, das sich als nüchterner Neubau mit Satteldach präsentiert, hatte sich die Möglichkeit geboten, dem Ort ein richtiges Zentrum zu geben. Vor dem Haus, das auf drei Ebenden neben einem Dorfladen eine Arztpraxis, eine Bibliothek und Vereinsräume beheimatet, konnte ein Platz angelegt werden, der nun für Veranstaltungen genutzt werden kann. Und schließlich hat noch ein Privathaus gewonnen, das durchaus wegen seiner Fassade auffällt. Die Bauherren Christine und Christian Wimmer haben in Isen ein Haus in Holzständerbauweise gebaut, "Haus W" genannt. Es bricht einerseits mit der Umgebung, fügt sich aber doch ein. Das Neubaugebiet am Römerweg, in das das Haus gebaut wurde, ist definiert durch Doppelhaushälften. Die Wimmers haben einfach zwei Hälften genommen und sie zu einem Haus zusammengefügt, insofern gleicht sich die Kubatur des Hauses an die Umgebung an. Trotzdem fällt es auf: Die Fassade des Hauses wurde mit Lärchenholz verkleidet, das nach und nach verwittert. Auch die Lasur des Holzes sorgt für eine dunkle Farbe - ein Hingucker in einer Umgebung, die sonst eher wenige Überraschungen bereithält. Die fünf Preisträger dürfen sich nun über eine Urkunde und eine Ton-Plakette freuen, die sie an ihren jeweiligen Fassaden anbringen können - wenn sie denn wollen. Manche Gewinner der vergangenen Jahre präsentieren die Plakette nicht draußen, sondern ein wenig versteckt im Inneren.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: