Im Erdinger Gasthaus zur Post aus dem 17. Jahrhundert halten die Wirtsleute die Traditionen hoch, hier werden bayerische Schmankerl in gediegenen Gasträumen serviert. Doch einmal im Jahr, am unsinnigen Donnerstag, ist es vorbei mit der Gemütlichkeit. Dann verwandelt sich das denkmalgeschützte Gebäude in eine Partyhölle: Es steigt der Lumpen- und Baziball. Und die jungen Erdinger, die donnerstagabends eher in Clubs oder vor dem Laptop zu vermuten sind, stürmen das Haus. Auch für diesen Donnerstag erwartet Wirt Bernhard Rötzer eine lange Warteschlange vor dem historischen Eingangsgewölbe. Die Veranstaltung hat Kultstatus.
Als Bernhard und Gisela Rötzer 1986 das Wirtshaus übernahmen, riefen sie auch wieder den Lumpen- und Baziball ins Leben. Zu Beginn habe die Veranstaltung "noch nicht so gezogen", erinnert sich Bernhard Rötzer. "Wir mussten das erst aufbauen". Mittlerweile ist der Lumpen- und Baziball für viele aber "der" Ball im Erdinger Faschingsgeschehen, vor allem für das junge Publikum. Circa 800 Ballbesucher aus Erding und Umgebung werden es jedes Jahr, berichtet Rötzer, zwischen 17 und 22 Jahren sind die Feierwütigen im Schnitt alt. "Das ist einfach der Ball, wo alle hinwollen, das gehört einfach dazu", lautet seine Erklärung für den jährlichen Ansturm. Ein "Riesenzugpferd" sei die Veranstaltung. Viele kämen seit Jahren immer wieder. Er kenne eine "nicht mehr ganz so junge Dame", die könne heuer ihren 33. Besuch feiern, verrät Rötzer. Wenn sie am Donnerstag zum Jubiläum komme, dann erhalte sie freien Eintritt, verspricht der Wirt.
Tradition hat auch die Warteschlange vor dem Eingang. Los geht es ab 18 Uhr, Karten gibt es an der Abendkasse, und Rötzer schätzt, dass ab 13 Uhr die ersten anstehen werden. Das Mindestalter für die Besucher liegt bei 17 Jahren, betont er. Ein eigenes Security-Team ist auch diesmal wieder vor Ort, "und für alle Fälle haben wir auch einen Sanitäter im Haus", berichtet der Postwirt.
Beim Lumpenball können sich die Feierwütigen in der Kellerbar und mehreren Party-Areas vergnügen. Auf Dekoration wird verzichtet, "nicht einmal Luftschlangen hängen wir auf", betont Rötzer. Die Auflagen des Brandschutzes seien aufwendig, "da feiern wir lieber in kahlen Räumen, dafür punkten wir dann mit der Beleuchtung". Für die Stimmung sorgt nach längerer Pause wieder DJ Burn-E. Die Musik sei überhaupt das Wichtigste, "die Leute wollen tanzen, die müssen abrocken, das muss kochen", weiß der Erdinger Wirt. Hauptsache Stimmung, das Essen sei da nicht so wichtig. Traditionell gibt es Leberkäs- und Schnitzelsemmeln auf die Hand. Am unsinnigen Donnerstag findet in der Gaststätte Erdinger Weißbräu auch noch ein zweiter Lumpen- und Baziball statt. Veranstalter ist die Narrhalla Erding. Von einer Konkurrenz könne aber keine Rede sein, sagt Thorsten Neidlein, der stellvertretende Präsident der Narrhalla. Beide Feste seien gut besucht, betont er. Der Postball sei traditionell der Ball der Jugend.
Wobei auch einige Ü-30-Besucher im Gasthaus zur Post anzutreffen sind, zum Beispiel Christoph Flittner. Der Leiter der gleichnamigen Fahrschule in Erding feiert seit Jahren mit seiner Frau auf den Lumpen- und Baziball in der Post. Wie schon einige Male zuvor geht das Paar auch heuer als Clowns verkleidet im Partnerlook. Er freue sich jedes Jahr auf die Veranstaltung, sagt Flittner. "Die klassischen Faschingshits sorgen immer für eine super Stimmung", und außerdem könne er hier viele seiner Fahrschüler auf einen Ratsch treffen. Mit 33 Jahren sei er zwar nicht mehr absolut jung, räumt Flittner ein, "aber das Alter spielt beim Baziball keine Rolle".