Fairtrade-Stadt Erding:Mehr als nur Kaffee

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Seit einen halben Jahr ist Erding eine Fairtrade-Stadt, viel hat sich seitdem getan. Aber vor allem Gastronomie und Händler tun sich schwer damit, auf faire Produkte umzustellen.

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

404 Kommunen in Deutschland dürfen sich derzeit Fairtrade-Stadt nennen. Jeden Monat kommen weitere hinzu. Seit vergangenem Oktober gehört auch Erding zu den Trägern des Siegels, das der Verein Transfair für jeweils zwei Jahre vergibt. Mit der Auszeichnung hat sich die Große Kreisstadt zur Förderung des fairen Handels bekannt. Eine lokale Steuerungsgruppe trägt Sorge dafür, dass Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft an einem Strang ziehen und die Stadt nach und nach fairer gestalten. Zehn Monate sind seit der Bewerbung im Mai vergangen - Zeit für eine erste Bestandsaufnahme. Die Zahl der Händler, die faire und zum Teil regional gehandelte Produkte anbieten, ist nach Aussagen von Fairtrade-Referentin Carina Bischke von etwa 20 auf 40 gestiegen. Das Angebot sei dabei vielfältiger als die schnell mit fairem Handel in Verbindung gebrachten Kaffeebohnen und Schokoladentafeln in den Regalen der Bio- und Supermarktketten. Ob Kleidung aus einem großen Modehaus in der Altstadt, Küchenutensilien vom Laden um die Ecke oder der Dekorationsartikel aus dem Weltladen - der Kunde kann sich oft für ein faires Produkt entscheiden. "Der faire Handel stößt in Erding auf großes Interesse", ist Bischke überzeugt. Nicht zuletzt würden aber auch die Discounter dazu beitragen, die in jeder Filiale etwas mit Fairtrade-Siegel anböten. Ein digitaler Einkaufsführer, der in Zusammenarbeit mit dem Anne-Frank-Gymnasium (AFG) erstellt wurde, soll den Erdingern einen Weg zu "fairen" Verkaufsstandorten zeigen. Er ist voraussichtlich von den Osterferien an auf der Internetseite www.erdinghandeltfair.de zu finden.

Mühelos erfüllte Erding im Sommer die erforderlichen Kriterien für die Auszeichnung. Mindestens 17 Geschäfte hatten fair gehandelte Produkte im Sortiment, acht waren notwendig, und in vier Gaststätten stand faires Essen auf der Speisekarte. Der Stadtrat sprach sich im Mai für die Kampagne aus und die sechsköpfige Steuerungsgruppe nahm die Arbeit auf. Im Rathaus und im Hallenbad verzichtet man seitdem auf konventionellen Kaffee und auf weit her gelieferte Getränke. Ende Juni wurde die Auszeichnung des AFG als erste Fairtrade-Schule gefeiert. Im Dezember hat nun die Mädchenrealschule Heiligblut ihre Bewerbung auf den Weg gebracht.

Bei den Handballern soll es faire Bälle geben

Die Entwicklung als Fairtrade-Stadt geht über den Wandel individueller Einkaufsgewohnheiten hinaus. Vereine beteiligen sich mit Informationsveranstaltungen und dem Verzicht auf herkömmlichen Kaffee. In der Kreisstadt würden das Museum Erding, der Hospizverein, die Nachbarschaftshilfe und der Bund Naturschutz die Idee unterstützen, sagt Bischke. Bei den Handballern der SpVgg Altenerding will man in der kommenden Saison entscheiden, ob man zukünftig mit fair produzierten Bällen trainiert, sagt Abteilungsleiter Werner Lauer. Derzeit sei man an andere Sponsoren gebunden.

Bestehende Verträge mit langen Laufzeiten sind ein Grund dafür, dass der Wandel zu Fairtrade in den Gaststätten noch Zeit braucht. Sechs Betriebe hätten mittlerweile umgestellt, sagt die Geschäftsführerin des Hotels Henry, Theresia Erhard. Sie ist zuversichtlich, noch weitere Kollegen von der Idee zu überzeugen, warnt aber vor vorschnellen Erwartungen: "Die Gastronomen sind für das Thema aufgeschlossen, aber wir müssen Schritt für Schritt gehen." Eine Umstellung könne nur freiwillig und zusammen mit den Lieferanten funktionieren, da sie die entsprechenden Produkte beschafften. Nicht jeder weiß von der Auszeichnung der Kreisstadt. Das soll sich am ersten Juniwochenende mit dem dreitägigen "Immersatt Food Market" ändern. Dann kommen Trucks, in denen fair gehandelte kulinarische Spezialitäten aus aller Welt angeboten werden.

Der einzige verkaufsoffene Sonntag wird ein Fairtrade-Sonntag

Für Bischke und Stadtmarketing-Chef Günther Pech ist es die erste große Aktion in Sachen Fairtrade. Und auch kommunalpolitisch ist das Wochenende von Bedeutung, denn am Sonntag, 5. Juni, haben die Geschäfte in der Innenstadt geöffnet - vorerst das einzige Mal an einem Sonntag in diesem Jahr. Es ist einiges geplant. Unter dem Motto "Fair handeln und behandeln" soll der Verpackungsmüll, der an diesem Tag in den Geschäften anfällt, gesammelt und präsentiert werden. "Wir wollen zeigen, welcher Berg entsteht, wenn in Erding fünf Stunden Einkaufshype herrscht", sagt Pech. Im Frauenkircherl bietet der neu gegründete Verein "BAGS" für Kinder einen Workshop zu fairer Schokolade an. Außerdem kann man mit "fairen" Bällen auf eine Torwand schießen. Weitere Aktionen sind noch nicht bekannt.

Bischke ist mit dem Interesse der Erdinger für den fairen Handel zufrieden. Nichtsdestotrotz, es bleibt viel zu tun, damit das bis 2017 gültige Siegel noch sichtbarer wird. Visionen hat die Steuerungsgruppe: Aufkleber mit Fairtrade-Logo für die Geschäfte, ein öffentlich ausliegender Einkaufsführer und ein eigener Bereich auf der Internetseite der Stadt. "Wir wollen die Händler überzeugen, wieder für Stoffbeutel statt Plastiktüten zu werben." Bischke ermutigt, dass man auch mit dem Kauf regionaler und saisonaler Produkte den Grundgedanken des fairen Handels unterstützen könne: "Eine nachhaltig gesicherte Existenz für alle, vom Milchbauern vor Ort bis zum Kaffeefarmer im Süden."

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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