Fahrradklima-Test:Schlechte Noten für Erding

Lesezeit: 2 min

An der Dachauer Straße teilen sich Radfahrer in beiden Richtungen den Weg mit Fußgängern. Stadteinwärts hört der Radweg plötzlich ganz auf; die Radfahrer müssen sich in den fließenden Autoverkehr einfädeln. (Foto: Renate Schmidt)

Die Radfahrer fühlen sich auf den Straßen nicht sicher. Mobilitätsexperten erarbeiten derweil Vorschläge, wie die Stadt stärker vom Auto wegkommt

Von Philipp Bovermann

ErdingGerade noch befriedigend. So muss man die Gesamtnote für die Stadt Erding deuten, die beim Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) herausgekommen ist: 3,8. Am Dienstag sind die Ergebnisse veröffentlicht worden. Sie stammen aus der Befragung von 112 Erdinger Radfahrern.

In der Einzelbewertung tauchte als besonders positiv für das Fahrradklima der Punkt "Radfahren durch Alt und Jung" (Note 2,6) auf, direkt danach: "Geöffnete Einbahnstraßen in Gegenrichtung" (2,8). Auch bei der "Erreichbarkeit des Stadtzentrums" mit dem Fahrrad konnte Erding punkten (2,9). Weniger gut sieht es hingegen bei einem für Radfahrer sicherlich zentralen Thema aus: dem Sicherheitsgefühl. Hier vergaben sie eine Note von 4,1. Der Aussage "In Erding fühlt man sich als Radfahrer sicher" stimmten nur fünf Personen vollständig zu, zwanzig hingegen gar nicht, die meisten Stimmen verteilen sich am Kontra-Ende der Skala. Dass "in jüngster Zeit besonders viel für Radverkehr getan" worden sei, hielten von 112 Menschen nur zwei für vollständig zutreffend. Elf bewerteten diese Aussage mit "stimmt gar nicht", dreißig mit "stimmt fast gar nicht".

Die Befragung findet alle zwei Jahre statt. 2016 war exakt dieselbe Gesamtnote herausgekommen. Gefühlt herrscht also Stagnation beim Ausbaus des Radverkehrs in Erding. Ein kleiner Trost für den Stadtrat dürfte sein, dass andere Städte ebenso schlechte Zensuren erhielten. Die Befragungen fanden nämlich überall im Bundesgebiet statt. Die Gesamtwertung aller Städte derselben Größenklasse wie Erding (20 000 bis 50 000 Einwohner) lag bei 3,9. Erding ist aus Radfahrersicht also solider - wenn auch schlechter - Durchschnitt.

Das dürfte allerdings nicht reichen, wenn die Stadt das Siegel der "Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern" (AGFK) erhalten will, worum sie seit 2017 im Rennen ist. Damals fand eine Erstbefahrung durch eine Prüfkommission statt, anschließend formulierte diese eine Aufgabenliste, für deren Abarbeitung die Stadt Erding vier Jahre Zeit bekam. Die AGFK schreibt als Bedingung zur Mitgliedschaft etwa eine "politische Zielvorgabe zur deutlichen Anhebung des Radverkehrsanteils" vor. Der Vorsitzende des ADFC Erding Horst Weise sagt, er sei dabei gewesen, als die AGFK-Kommission 2017 das erste Mal Erding besichtigte. Die Farbe sei noch nicht trocken gewesen, mit der noch schnell ein paar Radwege auf den Asphalt gepinselt worden seien. 73 Unfälle mit Radfahrern habe es im Jahr 2018 gegeben - viel zu viele aus seiner Sicht. Spricht man ihn auf das seit 2013 vorliegende Radverkehrskonzept der Stadt Erding an, lacht er nur. "Uns wurde gesagt: Wir können das nur umsetzen, wenn bauliche Veränderungen anstehen." Die seien gekommen, etwa an der Kreuzung beim Hagebaumarkt, die versprochenen Markierungen für den Radverkehr seien aber wieder unter den Tisch gefallen. Stattdessen habe man den Radfahrern eine "Bettelampel" vor die Nase gesetzt, die sie erst drücken müssen, damit sie überhaupt fahren dürfen.

Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) hat sich in der Vergangenheit allerdings klar dafür ausgesprochen, den privaten Autoverkehr zurückzudrängen. Im vergangenen November hat die Stadt ein Mobilitätskonzept in Auftrag gegeben, wie sie künftig stärker etwa auf öffentliche Verkehrsmittel, das Fahrrad und Carsharing setzen kann. Das ist auch dringend nötig, denn inzwischen fahren laut den Kfz-Zulassungszahlen fast so viele Autos in Erding, wie es Einwohner gibt - Tendenz steigend, trotz Klimakrise und Parkplatznot.

Beauftragt mit dem Konzept ist das Berliner Büro Team Red, das auch die Fahrradklimabefragung für den ADFC realisiert hat. Ein bisschen ist das so, als würde man die Lehrer, die einem das Zeugnis ausstellen, als Nachhilfelehrer engagieren: Skurril - aber man darf hoffen.

© SZ vom 11.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: