Eskalation :Attacke in der Küche

Lesezeit: 2 min

Bei einem Streit in der Oberdinger Asylbewerberunterkunft fliegen Töpfe und Deckel. Die Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung wird gegen eine Arbeitsauflage eingestellt

Von Thomas Daller, Erding

Am 13. Mai vergangenen Jahres gab es einen heftigen Streit in der Küche der Asylbewerberunterkunft in Oberding. Bei der Auseinandersetzung soll eine 52-jährige Tschetschenin einer 29-jährigen Afghanin erst drei volle Kochtöpfe vor die Füße geworfen und anschließend das Gleiche mit einem Topfdeckel wiederholt haben - in Richtung ihres Kopfes. Die 52-Jährige wurde von der Staatsanwaltschaft wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Das Verfahren wurde jedoch gegen eine Arbeitsauflage von 40 Sozialstunden eingestellt.

24 Asylbewerber teilen sich in der Unterkunft eine Küche und einen Herd, bei dem auch noch eine der vier Herdplatten defekt ist. Das kann zu Spannungen führen, wobei die Gründe in diesem Fall im Dunkeln blieben. Die Angeklagte wollte sich zu dem Fall nicht äußern und bestritt den Tatvorwurf. Und die angegriffene Afghanin hatte kein Wort verstanden von der russischen Schimpftirade, die den Wutanfall der Angeklagten begleitet hatte. Möglicherweise gab es auch keinen äußeren Anlass für den Streit; der Verteidiger der Angeklagten erläuterte, seine Mandantin sei traumatisiert und habe eine "heftige psychiatrische Diagnose".

Begonnen hatte der Streit, als die Tschetschenin ein nasses Küchentuch über dem Kopf der Afghanin ausgewrungen hatte. Der ebenfalls anwesende Ehemann der Afghanin hatte daraufhin seiner Frau gesagt, man gehe zurück ins eigene Zimmer, um eine Eskalation zu vermeiden. Als sie nach geraumer Zeit zurückkehrten, um Zwiebeln und Kartoffeln zu schälen, habe die Tschetschenin einen Wutanfall bekommen. Sie habe die drei vollen Kochtöpfe, die auf dem Herd standen, der Afghanin vor die Füße geworfen und dann einen Topfdeckel aus Metall auf Kopfhöhe geworfen. Die Afghanin konnte jedoch ausweichen. Über den weiteren Verlauf herrschte Unklarheit: Die Tschetschenin hatte bei der Polizei zu Protokoll gegeben, dass ihre Tochter den Vorfall mit dem Handy filmen und die Afghanin das unterbinden wollte. Sie habe sich daraufhin schützend vor ihre Tochter gestellt, woraufhin die Afghanin sie schmerzhaft am Arm gepackt habe. Dabei habe sie Hämatome davon getragen. Die Afghanin bestritt dies jedoch; sie habe der Frau nichts getan.

Richter Andreas Wassermann hörte sich erst die Aussage der ermittelnden Polizeibeamtin an und anschließend die der Afghanin. Zudem standen noch weitere Zeugen zur Verfügung: der Mann und der Sohn der Afghanin, Tochter und Enkeltochter der Tschetschenin sowie zwei afrikanische Asylbewerber, die sich zu dem Zeitpunkt ebenfalls in der Küche befanden hatten. Wassermann schlug jedoch der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung vor, das Verfahren abzukürzen und gegen eine Auflage einzustellen. Bei dem Streit sei niemand verletzt worden und die Angeklagte sei nicht vorbestraft. Eine Geldauflage hielt die Staatsanwältin nicht für sinnvoll, weil sich die Tschetschenin im Asylverfahren befinde und daher nicht arbeiten dürfe, sondern nur Taschengeld bekomme. Sie schlug daher vor, die Angeklagte solle 40 Sozialstunden ableisten.

Nach einer kurzen Beratung mit seiner Mandantin willigte Rechtsanwalt Albrecht Göring ein. Immerhin war seine Mandantin per Strafbefehl zu 100 Tagessätzen wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden, gegen den sie Einspruch eingelegt hatte. Dagegen nahmen sich 40 Sozialstunden sehr milde aus.

Dem Zusammenhalt in der Asylbewerberunterkunft hat der Vorfall nicht geschadet: Für die beiden afrikanischen Asylbewerber, deren voller Kochtopf ebenfalls am Boden landete, wurde anschließend unter allen Bewohner Essen gesammelt, damit sie nicht hungrig ins Bett mussten.

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: