"Es fehlt der qualifizierte Nachwuchs":Ausgebremst

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Treffpunkt der IHK-Sitzung und zentraler Kritikpunkt des Logistikchefs: das "leider nur" 41 500 Quadratmeter große Lager von Aldi Süd an der Anzinger Straße in Ebersberg. (Foto: Christian Endt)

Bei der IHK-Sitzung in Ebersberg beklagen Unternehmer Probleme in ihrem jeweiligen Gewerbe

Von Viktoria Spinrad, Ebersberg

"Irgendwann wird der Schlag kommen", sagt Siegfried Eisenschmid und schaut in die Runde. Dort verständnisvolles Nicken. Denn nicht nur der Mann vom gleichnamigen Transportunternehmen, sondern auch die anderen Mitglieder des IHK-Ausschusses beklagen: "Es fehlt der qualifizierte Nachwuchs." Für Eisenschmid sind es die Fernfahrer, für Michael Falterer von Fonland die Einzelhandelskaufmänner und -frauen. "Keiner möchte Handyverkäufer sein", moniert er, und das, obwohl die Leute mit der Masse der Angebote und Tarife wieder vermehrt beraten werden wollten.

Als "einen Wahnsinn" befindet auch Elisabeth Kerschbaumer von einem Ebersberger Gasthof den Fachkräftemangel - neben der Zehn-Stunden-Regelung, die ihr vor allem bei ganztägigen Veranstaltungen das Leben schwer machen. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, trotz insgesamt positiver Bilanzen viel Murren in den Räumlichkeiten der Ebersberger Aldi-Logistik beim Treffen des IHK-Kreisgremiums. Murren über zu viel Bürokratie, zu hohe Grundstückspreise, vor allem aber Fragen wie: "Wo sollen wir die Fahrer herbekommen?" Auch die Zuwanderung helfe nur bedingt, so die Vertreter aus der Wirtschaft, wenn die Sprachkenntnisse fehlten.

Mangelnde Sprachkenntnisse, kein Nachwuchs: Probleme, die auch Erwin Krutzenbichler kennt. Der Leiter des Aldi-Logistikzentrums in Ebersberg, hellblaues Hemd, Anzug, rahmenlose Brille, steht als Gastgeber an diesem sonnigen Nachmittag zwischen Kartoffeln, Milch und Eiern. Bei seiner Führung durch das Lager spricht er von Platzproblemen im Gewerbegebiet, ausgelagerten Arbeitsschritten und dem überlebenswichtigen Zeitfaktor in der hauseigenen Logistik. Letzteren scheint er sich selber einverleibt zu haben, er spricht schnell, geht schnell, die IHK-Vertreter eilen ihm hinterher. Sein Betrieb mit 200 Mitarbeitern lebt von der ständigen Optimierung.

Eine Optimierung, die zumindest in Sachen Sortimentsausdehnung so langsam ins Stocken gerät. Seit seiner Gründung im Jahr 1978 wurde das Lager gleich drei Mal erweitert, um die mittlerweile 72 Filialen zwischen dem Münchner Landkreis und der österreichischen Grenze zu beliefern. Heute sind es 36 000 Quadratmeter sogenannte Trockenfläche und 5500 Quadratmeter Kühlfläche, zusammengenommen also knapp sechs Fußballfelder. Das mag nach viel Platz für Desira-Joghurts und Belmont-Kaffee klingen, "tatsächlich aber sind wir im Vergleich ein recht kleines Zentrum", betont Krutzenbichler. Um rund 20 000 Quadratmeter, also um die eigene Flächenhälfte zu klein sei das Lager, wie er mit einem Blick über Nudel- und Wasserpaletten befindet: "Wir möchten dem Wettbewerb nicht zu viel Feld überlassen."

Um die - zusammen mit Aldi Nord - weltweite Marktführerschaft unter den Lebensmitteldiscountern zu verteidigen, setzt man auch im Ebersberger Norden auf mindestens doppelt belegte Warenreihen, flexible Teilzeitkräfte, Digitalisierung - und eigens frisierte Gabelstapler, die mit bis zu 20 Stundenkilometern zwischen den Warenreihen umherflitzen. Vor dem Kühllager thront eine Frau mit kurzen Haaren und Mütze auf einem der Geräte. "Rund zwei Drittel der Mitarbeiter sind Frauen, viele davon Mütter mit Kindern", sagt Krutzenbichler später, die Teilzeitstellen kämen ihnen besonders entgegen.

Wenig Zeit haben auch die bis zu 160 LKWs, die hier jeden morgen bis zum Anschlag gefüllt rausfahren. "120 Prozent, sag' ich immer", so Krutzenbichler, im Zweifel packe man oben eben noch Klopapier drauf. Ein Problem für die Logistik seien auch die Zeitbeschränkungen, die meisten Filialen dürfen erst ab sechs Uhr in der Früh angefahren werden. "Dann stehen sie erst einmal im Stau", moniert er, auch wenn er den Anwohnerschutz verstehe.

In der Warenannahme angekommen, offenbart der Logistiker nach 45 Minuten Turbo-Führung zwischen Basilikum, Minzpflanzen und Staubsaugern noch die Sorge, der sich die anderen IHK-Vertreter anschlossen: "Es wird zunehmend schwieriger, mit dem jeweiligen Frachtführer zu kommunizieren", sagt Krutzenbichler im Hinblick auf die vielen ausländischen Fahrer. Zurück bei der anschließenden Tischumfrage klagt auch Ludwig Schweiger von der Privatbrauerei in Markt Schwaben über mangelnde deutsche Sprachkenntnisse: "Ich lese kaum rechtschreibfreie Kommentare", sagt der Geschäftsführer.

Einen Lichtblick für wirtschaftliche Weiterentwicklung sieht allerdings Raphael Brandes - und zwar im Unterhalt der Betriebe. Der Hotelier und Gastwirt aus Markt Schwaben blickt in Richtung der Vertreter der Ebersberger Energieagentur, die zuvor ihr Energieeffizienz-Netzwerk vorgestellt hatten, und sagte: "Dank der Energieberatung sparen wir 5000 Euro." Sein Résumé an die Wirtschaftsvertreter: "Wir müssen uns eben neu erfinden."

© SZ vom 11.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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