Erlöserkirche:Ersatz für eine Fehlkonstruktion

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Seit mehr als 20 Jahren spart die evangelische Kirchengemeinde auf eine neue Orgel in der Erlöserkirche. Das mangelhaft gebaute Instrument kann nicht repariert werden. Eine Neuanschaffung ist ein Kraftakt

Von Sophia Neukirchner, Erding

Für den Laien sei es nicht leicht erkennbar, wie dringend die evangelische Erlöserkirche eine neue Orgel braucht, sagt Jürgen Bickhardt. Er ist Vorsitzender des Evangelischen Orgelbauvereines, der seit mehr als zwanzig Jahren Geld für eine neue Orgel sammelt. Es gibt nur einen Grund, warum man kaum hört, wie defekt die Orgel ist: Weil Kantorin Regina Doll-Veihelmann nach zwei Jahren im Amt sehr genau weiß, welche Register sie an dem baufälligen Instrument noch ziehen darf und welche einfach nicht mehr funktionieren.

Es ist eine lange Leidensgeschichte. Bereits wenige Jahre nach dem Einbau der Orgel im Jahr 1966 habe der damalige Kantor Karl Maria Doll, Kulturpreisträger und Vater der heutigen Kantorin, Mängel an der Orgel festgestellt, berichtet Bickhardt: "Sie ist eine Fehlkonstruktion, sie ist zu schmal und zu hoch." Hinzu kommt, dass die klimatischen Bedingungen unter dem Dach auch aufgrund einer neuen Heizungsanlage nicht mehr optimal für das Instrument sind.

Die Orgel im Dach der Erlöserkirche sieht toll aus, funktioniert aber schon lange nicht mehr so, wie sie sollte. (Foto: Archiv Bauersachs)

Doll-Veihelmann, die Kirchenmusik und das Konzertfach Orgel studierte und deren Großvater schon Organist war, weiß, dass es auch andernorts dieselben Probleme gibt. Die Orgeln, die vor 1960 gebaut wurden, seien für die Ewigkeit geschaffen. Doch danach kam es zu einer Umbruchsituation und man baute häufig neue, jedoch noch nicht ausgereifte Systeme ein. Das Ende vom Lied: Viele Orgeln aus dieser Zeit wurden in anderen Kirchen bereits ausgetauscht. "Es ist also nicht so, dass man sie reparieren könnte. Wir brauchen dringend eine neue", sagt die Kantorin.

Das Geld dafür fehlte bisher. Dass die 1963 erbaute Erlöserkirche seit 2001 unter Denkmalschutz steht, bremste das Vorhaben bislang zusätzlich. Die Erlöserkirche ist mit ihrer avantgardistisch gestalteten Holzdachkonstruktion in Form eines umgedrehten Schiffsrumpfes und ihren Backsteinmauern eins der wenigen Nachkriegsdenkmale der Stadt. Entworfen hat das besondere Bauwerk an der Friedrichstraße in Klettham Architekt Hans-Busso von Busse, der später auch den Terminal I des Münchener Flughafen gestaltete.

1995 wurde der Orgelbauverein gegründet. Zur Zeit des Baus der evangelischen Auferstehungskirche in Altenerding trat das Projekt Orgelerneuerung aber mehrere Jahre in den Hintergrund. Erst vor vier Jahren kam wieder neuer Schwung durch Pfarrer Daniel Tenberg. Er setzte sich zusammen mit der damals neu eingesetzten Kantorin Carmen Jauch sowie Jürgen Bickhardt, der zu der Zeit den Vorstand des Vereins übernahm, seitdem intensiv für die Orgel ein. Im vergangenen Jahr beschloss dann der Kirchenvorstand einstimmig, endlich eine neue Orgel anzuschaffen. Der Orgelbauverein und Kantorin Doll-Veihelhmann wurden damals beauftragt, das Projekt zu betreuen. Doch leicht ist auch das nicht. "Es sind jedoch viele bürokratische Hürden zunehmen", sagt Bickhardt. So musste zum Beispiel geklärt werden, ob der Denkmalschutz der Kirche auch auf die Orgel zutrifft. Nun ist sicher: Wenn die Empore und die Hülle der Orgel bestehen bleiben, ist die Anschaffung eines neuen Instrumentes möglich.

Auf eine Ausschreibung meldeten sich fünf Orgelbauer. In der jüngsten Sitzung des Kirchenvorstandes, am vergangenen Donnerstag, wurde die Auswahl auf zwei Orgelbauer eingeschränkt. Die Arbeiten der beiden bayerischen Orgelbauer sollen bald schon von einer Erdinger Delegation besichtigt werden. Zu den bisherigen Hemmnissen des Projektes kommt nun aber, dass eine allgemeine Sanierung des Kirchengebäudes ansteht: Das Dach muss komplett neu gedeckt werden. Somit muss der Zeitplan für die Orgelerneuerung auch darauf ausgerichtet werden. "Ein Einbau ist erst nach der Sanierung sinnvoll", erklärt Bickhardt. Der bald 80-Jährige vermutet, dass erst 2018 mit dem Abbau der alten Orgel begonnen werden könne.

Und wie sieht es mit der Finanzierung aus? Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird für eine neue Orgel gesammelt, bis heute sind durch Benefizkonzerte, Spenden und Fotoausstellungen etwa 153 000 Euro zusammengekommen. "Das ist wohl gerade mal die Hälfte, wir brauchen dringend Großsponsoren", sagt Bickhardt. Man könne mit der Bitte um Spende jedoch erst auf Firmen zu gehen, wenn ein konkrete Summe im Raum steht.

Bis dahin sollen auf jeden Fall weitere Benefizkonzerte sattfinden. "Bisher sind noch keine konkreten Termine geplant, aber vier Stück wie in diesem Jahr, können es schon wieder werden", kündigt Doll-Veihelmann an. "Die Kirchenmusik ist ein wichtiger Bestandteil dessen, was Christen heutzutage noch in der Gemeinde hält", sagt Doll-Veihelmann, die bereits mit zwölf Jahren die ersten Gottesdienste mit ihrem Orgelspiel begleitet hat. Die Kirchenmusik sei wichtig für die Erdinger Kulturlandschaft, was auch die erhofften Großsponsoren von einer Spende für die neue Orgel überzeugen könnte. Eines ist für die Kantorin klar: "Ich kann mir keinen Gottesdienst ohne Orgel vorstellen."

© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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