Erdinger Herbstfest:Freundlich, aber bestimmt

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Wenn es Nacht wird auf dem Herbstfest, müssen die Beamten der Polizeiinspektion Erding Präsenz zeigen. Sie sind dabei, wenn das Fest zur Ruhe kommt und erleben häufig so manche Überraschung.

Sarah Ehrmann

Plötzlich geht alles ganz schnell. Wo eben noch alles lustig war, die Polizistinnen mit den Herbstfestgästen gescherzt und Schnappschüsse gemacht haben, herrscht jetzt Arbeitsprofessionalität. "Könnt ihr mal schnell kommen", ruft einer der Weißbräuzelt-Securitys ihnen zu und im nächsten Moment stehen die beiden Polizistinnen neben dem Zelteingang, einen schmächtigen Jungen in ihrer Mitte. "Maßkrüge geklaut, schon zum zweiten Mal", erklärt der Security-Mann kurz. Die Frauen entspannen sich etwas, die Situation ist Routine auf dem Erdinger Herbstfest.

Groß und unnahbar bauen sich die Uniformierten mit den steifen Mützen dennoch vor dem Teenager auf. "Platzverweis, wir bringen dich zum Ausgang", sagt Polizistin Mirjam Voigt. Der Schreck ist gewollt, es soll ihm eine Lehre sein. Der Platzverweis gilt zwölf Stunden, und auch wenn in der Zeit der Festplatz geschlossen ist, ist das schlimm für die Jugendlichen. "Wenn wir dich hier noch einmal sehen, schläfst du bei uns", gibt Voigt ihm noch mit auf den Weg.

Fünf Polizisten der Polizeiinspektion Erding sind unter der Woche auf dem Volksfest im Einsatz, ihre Arbeit endet weit nach Mitternacht, wenn auch der letzte Gast das Gelände verlassen hat und Stadtkern und S-Bahn-Station ruhig sind. Aus den Fahrgeschäften dröhnt Musik, die Ansager fordern auf zum "Reinkommen, Miterleben, es sind noch Plätze frei, in der rasanten Fahrt auf der Drehscheibe". Es ist wenig los an diesem Mittwochabend, die Budenbesitzer warten auf die Tresen gelehnt auf Kundschaft. In den Bierzelten beginnt die letzte Runde. Schnell stecken die Männer hinter den Weißbräu-Zapfhähnen die Schläuche an neue Bierfässer. Die jugendlichen Gäste hüpfen auf den Bänken, stehen knutschend am Zeltrand oder rauchen schlotternd vor den Eingängen. Aus den Schieß- und Losbuden plärrt leiernde Wiesnmusik, die Luft riecht süß nach Zuckerwatte, Früchten und Haarspray.

Plötzlich ist Anna-Lena, Vierte bei Heidi Klums vergangener "Germany's Next Topmodel"-Staffel, da. Es ist ihr erstes Herbstfest, seit sie überall in Deutschland bekannt ist. Über dem pinkfarbenen Dirndl trägt sie eine Lederjacke. Es sei schon anders diesmal, ja, sagt sie: "Viele erkennen mich - aber weil ich weiß, dass sie mich so mögen, wie ich bin, muss ich mich auch nicht verstellen."

Im Weißbräuzelt beginnt die heiße Phase: Die Gäste sollen das Zelt bald verlassen, es ist halb zwölf. Martin Regineri, Geschäftsführer von KR-Security aus Ingolstadt, kümmert sich mit 15 Männern um die Sicherheit im Zelt. Sie passen auf, dass keiner raucht, Minderjährige keinen Alkohol trinken, niemand in den Gassen herumsteht. Durchsetzungsvermögen, Charakterfestigkeit, aber vor allem Gelassenheit seien wichtig für den Job eines Sicherheitsmanns. "Und dass man sich nicht provozieren lässt", sagt er.

Das gilt auch bei den Polizisten: Keiner der Diensthabenden ist an diesem Abend älter als 30 Jahre. "Der Volksfestdienst beruht auf freiwilliger Basis", erklärt Einsatzgruppenleiter Florian Leitner. "In den Regel melden sich jüngere Kollegen, die sind etwas stressresistenter." Drei Frauen und zwei Männer sind im Team. Die Mischung mache einen anderen Eindruck, wirke deeskalierend. Sie schlendern entspannt, doch ihre Augen sind überall: "Wir halten Ausschau nach Jugendlichen und Betrunkenen, wegen der höheren Gewaltbereitschaft." Im Polizeicontainer hängen Fotos von Gästen mit generellem Platzverbot, auf diese müssen die Polizisten ein Auge haben. Außerdem suchen sie eine 17-Jährige, die wieder nicht wie ausgemacht nach Hause gekommen ist. Doch an diesem Abend bleibt der Teenager mit den angeblich falschen Freunden unentdeckt.

Dafür fällt den Polizisten ein Mann auf, der sich kaum auf den Beinen halten kann und schwankend versucht, Autos anzuhalten, um nach München zu kommen. Die Beamten greifen zum Alkotest: Zwei Promille. Zusammen mit dem Zustand des Mannes zu viel, sagt Leitner, um alleine nach Hause zu gehen. Das Risiko besteht, dass der Mann sich erbricht und erstickt. Wird er nicht abgeholt, müsse er die Nacht in der Ausnüchterungszelle verbringen. Doch nach fast einer halben Stunde Telefon-Diplomatie der Beamten mit der Freundin des Mannes setzen sie den Durstigen ins Taxi.

Die Wiesn ist ruhig in diesem Jahr und friedlich, "ein gewaltiger Unterschied zum vergangenen Jahr", sagt Leitner. Er schätzt die Regelung des Schnapsverbots und die Zusammenarbeit mit der Stadt. So haben auch die Einsatzkräfte die Möglichkeit, das Fest zu genießen. Sie müssen vor allem Präsenz zeigen, ansonsten dürfen sie auch mal die Netten sein. "Etwas Besseres fürs Image gibt es ja kaum", sagt Polizistin Voigt. Sie lacht und ratscht gern und hat nach kurzer Zeit drei Plastikblumen an der Uniform stecken. "Es bringt ja nichts, wenn es keinen Spaß macht", sagt sie.

In den Zelten geht es ans Aufräumen. Die Gäste dürfen noch austrinken, das hält die Stimmung entspannt. Hinter dem Weißbräuzelt fährt ein Gabelstapler das benutzte Geschirr in einen Lastwagen. Die Kellner tragen die leeren Bierkrüge in die Spülmaschinen. Kellnerin Rosalinde Streicher wischt blitzschnell die leeren Tische. Müde sei sie nicht, sagt sie, obwohl sie im Team für 700 Gäste zuständig war. Schließlich sei es schön, dass so viele Gäste alte Bekannte seien. Die Essenscontainer hinter dem Zelt sind fast leer, die Müllsäcke voll. Sicherheitsmann Kevin Leonhardt holt seine Deutsche Dogge Baghira aus dem Wagen und setzt die Patrouille des Erdinger Sicherheitsdienstes NMC fort, der auf Wunsch der Fieranten bis morgens um sechs Uhr den Platz bewacht. Sie werden noch den Leuten vom Bauhof "Guten Morgen" sagen und dann ins Bett kriechen. Diese leeren den Müll, fegen den Platz und richten ihn so her, dass es am Abend wieder heißen kann: "Kommen Sie, steigen Sie ein, verpassen Sie nicht diese Sensation!"

© SZ vom 02.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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