Erdinger Fliegerhorst:Das große Kommen und Gehen

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Im Januar waren zunehmend mehr Frauen und Kinder unter den Flüchtlingen, die direkt von der Grenze in den Warteraum gebracht wurden. (Foto: Renate Schmidt)

In den ersten zwei Monaten durchlaufen 50 000 Menschen den Warteraum Asyl. Nach monatelangem Stillstand wird wieder registriert und weiterverteilt: ausgesuchte Flüchtlinge, die über München eingeflogen werden

Von Florian Tempel, Erding

Gerade im Rückblick rückt beim Warteraum Asyl am Erdinger Fliegerhorst eines noch einmal in den Vordergrund. Als im vergangenen Winter täglich Hunderte Flüchtlinge direkt von der bayerisch-österreichischen Grenze nach Erding gebracht werden, klappt so vieles sehr gut, aber eines nicht: die lückenlose Registrierung der Menschen, die meist nur wenige Stunden zuvor Deutschland erreicht haben. Eine ungezählte Menge, wahrscheinlich mehrere Tausend, entzieht sich der Erfassung von Personaldaten und Fingerabdrücken.

Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hat das von Anfang an als "permanenten Rechtsbruch" beklagt. Im Januar stimmt ihm dann auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer zu: "Wir müssen zu 100 Prozent registrieren und nicht zu 95 Prozent - auch wegen Sicherheitsaspekten." Warum klappt das nicht? Es scheitert an rechtlich-bürokratische Vorgaben. Die Bundespolizei darf im Warteraum nicht eingesetzt werden, die Landespolizei ist nicht zuständig. Im September wird bekannt, dass ein in der Nähe von Hamburg festgenommener IS-Terrorverdächtiger in Erding war. Woher man das weiß? Er ließ sich im Warteraum registrieren.

Im Januar und Februar durchlaufen etwa 50 000 Menschen das Camp. Der größte Teil von ihnen lässt sich mit Personaldaten, Fingerabdrücken und Foto erfassen, sehr viele bekommen von den Ehrenamtlichen der Flüchtlingshilfe Erding warme Kleidung, alle erhalten Essen, Getränke und einen warmen Schlafplatz. Der Gesundheitszustand vieler Flüchtlinge - es sind immer mehr Familien mit Kindern und ältere Menschen - ist zunehmend schlechter. Die winterlichen Fußmärschen auf der Balkanroute haben viele mitgenommen. Nach einem Kurzaufenthalt in Erding bringen Busse die Menschen nach Passau, von wo aus sie mit Zügen in ganz Deutschland verteilt werden.

Unter den Soldaten, die im Warteraum Asyl eingesetzt werden, macht sich Unmut breit. Sie fühlen sich ausgenutzt und abgespeist. Eine Spesenpauschale wird von heute auf morgen radikal gekürzt und die Auszahlung von Zulagen dauert elend lange. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte den bei der Flüchtlingskrise helfenden Soldaten "maximale Kulanz" versprochen. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD) zieht im Frühjahr ein enttäuschtes Fazit: "Was man hier erlebt, ist maximale Kleinkariertheit." Doch die Soldaten werden bald abziehen. Als von März an die Balkanroute dicht ist, kommen keine Flüchtlinge mehr nach Erding. Das Personal wird auf eine Minimum reduziert und das Camp "reaktivierbar stillgelegt". Im Warteraum mit seinen 3500 Schlafplätze in alten Flugzeugunterständen und Leichtbauhallen, den Versorgungszelten und Bürocontainern ist monatelang nichts los.

Im Herbst kommen doch wieder Flüchtlinge. Deutschland lässt im Rahmen der schon im September 2015 vereinbarten EU-Umverteilungen aus Griechenland und Italien ausgesuchte Geflüchtete einfliegen. Alle diese Männer, Frauen und Kinder sind nicht nur registriert, sondern auch schon vorab von deutschen Sicherheitsbehörden überprüft. Ihre Personaldaten und Fingerabdrücke werden dennoch ein weiteres Mal in Erding erfasst.

© SZ vom 27.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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