Erding:Zweifel führen zum Freispruch

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Der letzte Zeuge bringt die Wende und Amtsrichterin Wawerla sieht Falschaussage als nicht bewiesen an

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"In dubio pro reo" - im Zweifelsfall für den Angeklagten galt schon im römischen Recht. In einem Strafprozess bedeutet dies, dass ein Angeklagter nicht verurteilt werden darf, wenn dem Gericht Zweifel an seiner Schuld verbleiben. Und die hatte Amtsrichterin Michaela Wawerla am Ende des dritten Verhandlungstages, da sich zwei Gruppen von Zeugen durchgehend widersprochen hatten. Den Ausschlag machte schließlich der letzte Zeuge. Er konnte am glaubwürdigsten begründen, warum er sich an den 27. Oktober 2019 noch erinnern kann. Und er bestätigte, was der Angeklagte von Anfang an gesagt hatte, dass er an dem Tag um 5.10 Uhr nicht mehr in, beziehungsweise vor der Diskothek Weekend Club in Erding gewesen sei und damit von der körperlichen Auseinandersetzung nichts mitbekommen habe. Damit blieb Wawerla nichts anderes übrig, als ihn vom Vorwurf der Strafvereitelung frei zu sprechen.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagte vorgeworfen, damals bei der Polizei bewusst eine falschen Aussage gemacht zu haben, damit ein Kumpel nicht verurteilt wird. Der hatte gegen 5.10 Uhr vor dem Club einem anderen einen Schlag verpasst, weswegen er mittlerweile auch wegen Körperverletzung verurteilt wurde - auch ohne die Aussage des Angeklagten. Bei der Vernehmung der Zeugen, die damals noch vor Ort waren, stellten die Ermittler einen Widerspruch fest: einige Zeugen gaben an, dass der Angeklagte gegen 5.10 Uhr noch im Weekend Club war. Er selber hatte bei seiner Befragung aber dann angegeben, dass er schon weggewesen sei. "Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird", der macht sich laut Strafgesetzbuch strafbar. Da die Tat auch ohne sein Mitwirken aufgeklärt werden konnte, blieb es beim Vorwurf der versuchten Strafvereitelung, die aber mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann.

Laut Staatsanwältin und der Anwältin des Angeklagten gab es zwei Lager: eines, das dem Geschädigten bei der Tat nahe steht und eines dem Angeklagten. Das den Angeklagten belastende Lager hatte schon kurz nach dem Tag ausgesagt, und ihre Aussagen größtenteils vor Gericht bestätigt - wenn auch mit der Einlassung, dass alles schon sehr lange her sei und alle schon einiges getrunken hatten. Im anderen Lager der Bruder des Angeklagten. Er sagte am zweiten Verhandlungstag, dass er zwischen 3.30 und 4 Uhr mit seinem Bruder, einem Ex-Kollegen und einem Fahrer vom Weekend Club nach München mit dem Auto gefahren sei. Er könne sich genau daran erinnern, weil es ein "sehr lustiger" und besonderer Abend gewesen sei.

Am "genau erinnern" hatte damals die Amtsrichterin noch ihre Zweifel, wie sie jetzt bei der Urteilsbegründung sagte. Der Ex-Kollege konnte aber begründen, warum er sich erinnerte. Nicht, weil an dem Tag auf Winterzeit umgestellt wurde, sondern weil ein anderer Kollege aus dem zweiwöchigen Urlaub zurück gekommen sei und er damit nicht mehr für zwei arbeiten musste. Außerdem konnte er sich noch gut daran erinnern, dass ihnen bei der Heimfahrt von dem Striplokal in München das Benzin ausgegangen sei. "Bis heute bin ich der Meinung der Staatsanwältin gefolgt, aber Zeugen können sich irren. Und deshalb muss ich den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen vom Vorwurf der Strafvereitelung frei sprechen."

© SZ vom 31.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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