Erding:"Wie ein Einbruch, dem man zusieht"

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Zu Gast in Erding: der TU-Professor und ausgewiesene Hochwasserexperte Martin Grambow. (Foto: Matthias Töpfer)

Thema Hochwasser: Umweltministerin Ulrike Scharf lädt zum Unternehmerstammtisch

Von Mathias Weber, Erding

Man hätte auch über Themen sprechen können, sagte Ulrike Scharf, die auf den ersten Blick mehr mit der Wirtschaft zu tun hätten: Die Erbschaftssteuer zum Beispiel, den Mindestlohn, oder die Energiewende. Aber beim zweiten Erdinger Unternehmerstammtisch, den Scharf in ihrer Funktion als Erdinger Landtagsabgeordnete am Mittwochvormittag ausrichtete, ging es um ein Thema, das sie als Umweltministerin ständig begleitet: Es ging ums Hochwasser. Ein Thema, über das in Erding sowieso ständig gesprochen wird, das aber nicht nur den einfachen Bürger angeht, dessen Haus vielleicht ein einem Fluss steht; sondern auch die Unternehmer, und dem ein oder anderen dürfte es am Ende der Veranstaltung ganz anders geworden sein.

Mitgebracht hatte Scharf Martin Grambow, der in ihrem Haus die Abteilung Wasserwirtschaft leitet und als Professor zu diesem Thema an der Münchner TU forscht und lehrt. Er wollte einen "Blick hinter die Kulissen des Hochwassers" bieten, wie er selbst sagte, praktische Tipps für Erding hatte aber allerdings kaum dabei. Auch wenn Grambow seinen Vortrag charmant und wenig trocken hielt - die Ergebnisse, die er den Erdinger Unternehmen vortrug, waren ernüchternd.

Denn der Professor warnte eindringlich davor, die Gefahren durch Hochwasser zu unterschätzen: Die Wahrscheinlichkeit für Menschen, die an einem Fluss wohnen, irgendwann einmal ein hundertjähriges Hochwasser zu erleben, liegt bei 55 Prozent. Kleinere Hochwasser sind dementsprechend noch wahrscheinlicher.

Auch mit einigen Vorurteilen wollte Grambow aufräumen. Die vielfach - und oft von Umweltverbänden - geäußerte Vermutung, die Versiegelung der Umwelt sei mit verantwortlich für Hochwasser, relativierte er. Seinen Messungen zufolge spielt die Versiegelung bei großen Hochwassern kaum eine Rolle. Allenfalls in sehr dicht bebauten Gebieten, Großstädten etwa, könne die Versiegelung Einfluss haben, wenn die Kanalisation an ihre Grenzen stößt. Umweltbelange aber seien natürlich wichtig, so Grambow, man müsse beim Hochwasserschutz aber den Ausgleich zwischen Ökologie und Sicherheit des Menschen suchen. Und im Zweifelsfall habe die Sicherheit Vorrang.

Die Unternehmen rief Grambow dazu auf, wachsam zu sein. "Wenn das Wasser kommt, kommt es langsam, aber unerbitterlich", sagt er. Er habe es selbst erlebt, wenn das Wasser plötzlich da ist, sich in Kellern und Wohnräumen ausbreite und Erinnerungen an ein ganzes Menschenleben mitnehme. "Wie ein Einbruch, dem man zusieht", sagte Grambow. Und nicht nur bei Bürgern kann es schlimm enden: Auch Unternehmen können betroffen sein. Sie gehen unter, verschwinden, wenn sie Hochwasser trifft - und sie nicht versichert sind. Und es müsse nicht mal einen Betrieb selbst treffen, sagte Grambow, auch wenn ein Abnehmer oder ein Partner ausfällt, trifft das ein Unternehmen. Der volkswirtschaftschaftliche Schaden eines Hochwassers könne immens sein.

Also: Vorsorgen, riet Grambow. Und nicht nur in der Nähe eines Flusses, auch das Grundwasser spielt eine Rolle. Und bei diesem Stichwort ging es dann doch ganz konkret um ein Erdinger Problem. Bewohner der Sandgrubensiedlung in Klettham sind der Meinung, ihre Keller seien während des Hochwassers 2013 vollgelaufen, weil im angrenzenden neuen Baugebiet zu viel versiegelt und Abflussanlagen falsch gebaut wurden. Grundsätzlich, sagt Grambow dazu (ohne den konkreten Fall zu kennen), könnten solche Anlagen oder auch Tiefgaragen und tiefe Keller den Grundwasserspielgel schon beeinflussen - allerdings nur sehr lokal. Beim Thema Grundwasser aber, so machte Grambow klar, ist der Bauherr dafür verantwortlich, den Keller dicht zu halten. "Eigentlich dürfte kein Architekt in Deutschland jemandem ein Haus ohne einen dichten Keller bauen", sagte er. Grundwasser kommt und geht, niemand sei am Ende vollkommen sicher. Und rausreden kann sich auch keiner: Die Grundwasserpegel der letzten Jahrzehnte sind alle im Internet abrufbar.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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