Zustrom:Weitere Flüchtlinge werden erwartet

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Landrat Bayerstorfer rechnet damit, dass er jede Woche 30 Menschen ein Dach über dem Kopf bieten muss. An der Bezirksregierung übt er jedoch harte Kritik

Von Florian Tempel, Erding

Der Landkreis Erding muss künftig jede Woche 30 neue Flüchtlinge aufnehmen. Die Regierung von Oberbayern hat den Druck auf zahlreiche Landkreise erhöht und die Unterbringungsquoten stark nach oben geschraubt. Der Grund: Pro Tag kommen durchschnittlich 240 Asylsuchende in Bayern an. Da die Erstaufnahmeeinrichtungen voll sind, sollen nun möglichst schnell 1800 Flüchtlinge, die die ersten Asyl-Formalitäten schon hinter sich haben, in dezentrale Unterkünfte "abverlegt" werden, sagte eine Sprecherin der Bezirksregierung. Nur so könne man in der Münchner Bayernkaserne und ihren Außenstellen wieder Platz schaffen. Die 1800 Menschen müssten vorrangig die Landkreise aufnehmen, die ihre staatlich vorgegebene Unterbringungsquote noch nicht erfüllt haben - worunter auch der Landkreis Erding fällt.

Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) kritisierte die Regierung von Oberbayern scharf: "Langsam weigere ich mich, weitere Flüchtlinge aufzunehmen." Bayerstorfer warf der Bezirksregierung eigenes Versagen vor. Dieselbe Behörde, die den Druck auf den Landkreis Erding erhöhe, sei gleichzeitig für Verzögerungen verantwortlich.

Für eine seit langem geplante Wohncontaineranlage für 40 Menschen in Forstern habe die Bezirksregierung unlängst die Ausschreibung aufgehoben, sagte Bayerstorfer, weil ihr die eingegangenen Angebote zu teuer waren. Auch der von der Stadt Erding seit einem Jahr geplante Kauf einer alten Mannschaftsunterkunft am Fliegerhorst, in der nach einer Sanierung 150 Flüchtlinge wohnen könnten, komme ebenfalls nur wegen der Zögerlichkeit der Bezirksregierung nicht voran.

OB Max Gotz (CSU) hat die Bezirksregierung wegen des Fliegerhorstgebäudes schon im März angeschrieben. Angesichts der Dringlichkeit, Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen, zeigte er sich bereits im April verwundert, dass da noch keine Zusage der Regierung von Oberbayern bei ihm auf dem Tisch gelandet war. Mittlerweile sind weitere acht Wochen verstrichen - und Gotz hat immer noch kein Schreiben von der Bezirksregierung vorliegen.

Wie vielen Flüchtlinge jeder Landkreis aufnehmen muss, ist in der bayerischen Durchführungsverordnung Asyl festgelegt. Der Verteilungsschlüssel bemisst sich nach der Einwohnerzahl. Demnach müsste der Landkreis Erding etwa 655 Flüchtlingen ein Kopf über dem Dach bieten. Nach den Zahlen der Regierung von Oberbayern waren im Landkreis zum 30. Mai jedoch nur 620 Flüchtlinge untergebracht. Erding gehöre deshalb, wie die Nachbarlandkreise Freising, Ebersberg und München, eben zu denen, "die jetzt erst mal dran sind", so eine Sprecherin der Bezirksregierung. Durch die stetig zunehmende Zahl von Flüchtlingen erhöht sich laufend die Vorgabe, wie viele Wohnplätze bereit gestellt werden müssen. Bis Jahresende soll der Landkreis Erding etwa 1200 Flüchtlinge untergebracht haben.

Neben der per Quote geregelten längerfristigen Unterbringung hat die Bezirksregierung ein zweites Verteilungssystem "ausgetüftelt", nach dem Landkreise vorübergehend Notfallquartiere für neu angekommene Flüchtlinge bereit stellen müssen, erklärte eine Sprecherin. Der Landkreis Erding dürfte bei der Notaufnahme nicht so bald wieder dran sein. Er war einer der ersten oberbayerischen Landkreise, die ein Notquartier eingerichtet haben. Von Oktober 2014 bis Anfang dieses Jahres war die Turnhalle der Berufsschule mit 200 Schlafplätze zur provisorischen Erstaufnahme umfunktioniert worden.

Bayerstorfer sagte, in Erding schaffe man es derzeit noch, die zahlreichen neu zugewiesenen Flüchtlinge ordentlich unterzubringen - "momentan geht's noch". In Hörlkofen ist eine Wohncontaineranlage für etwa 30 Menschen bald bezugsfertig. In Dorfen sollen Anfang Juni 65 Wohnplätze in einem umgebauten ehemaligen Brauereigebäude bereit stehen. Die Aktionsgruppe Asyl (AGA) hat dem Landratsamt unlängst eine große Wohnung in Erding vermittelt, in der nun elf Flüchtlinge leben. Bei einem Pressegespräch zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni kritisierten AGA-Vertreter allerdings, dass die alten Klassenzimmer-Container hinter der Korbinian-Aigner-Gymnasium als Wohnraum kaum zumutbar seien. Die vier Räume sind mit je zehn Mann voll belegt und bieten keinerlei Privatsphäre. Zum kleinen Küchencontainer und den sanitären Anlagen müssen die Bewohner durchs Freie gehen.

In den Nachbarlandkreisen Ebersberg, Freising und München ist die Lage prekärer. Dort wird derzeit überlegt, auf Sportplätzen Wohnzelte für mehrere Hundert Flüchtlinge aufzustellen. Da aber auch Wohnzelte auf die Schnelle derzeit nicht leicht zu beschaffen sind, denkt man im Landkreis Ebersberg darüber nach, eventuell sogar Volksfestzelte zu ordern.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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