Erding:Warten auf den Beziehungs-"Super-Gau"

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33-Jähriger wird nach häuslicher Gewalt zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt - ausgesetzt zur Bewährung

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Wenigstens in einem Punkt waren sich der 33-jährige Angeklagte und seine 27-jährige Ex-Freundin einig: Man hätte die Beziehung schon viel früher beenden sollen. So endete sie mit einer Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Bedrohung, die zu einer Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten führte, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, und einer Geldauflage von 2000 Euro, die der 33-Jährige ans Sophienhospiz Freising-Erding zahlen muss.

Lange währte die Beziehung zwischen dem Taufkirchener und der Dorfenerin nicht: rund eineinhalb Jahre. Und auch, wenn die Mutter des Angeklagten vor Gericht aussagte, dass beide wie "Turteltäubchen" gewesen sein, hakte es nach Aussagen beider spätestens ein Jahr später. Allerdings gaben beide verschiedene Gründe an, warum alles am 23. Oktober 2020 eskalierte und die 27-Jährige mit etlichen Verletzungen am Hals, an den Armen und einem aufgeschlagenen Knie zur Polizei ging.

Auslöser war offenbar eine Nachricht, die der Angeklagte von einer Frau bekommen hatte, die er vor der 27-Jährigen zwei Mal getroffen hatte, wie er sagte. Die 27-Jährige sagte, dass er gelogen habe, was die Frau betrifft. Später habe es einen Vorfall mit einer Kollegin gegeben. "Die Eifersucht war von beiden Seiten da", gab die 27-Jährige vor Gericht zu. Jedenfalls sei das Vertrauen weg gewesen, auch wenn er versucht habe, sie vom Gegenteil zu überzeugen und ihr den Einzelverbindungsnachweis über seine Telefongespräche angeboten habe. Richtigen Streit habe es aber nicht gegeben "solange wir machten, was er wollte". Wenn sie keinen Sex haben wollte, hätte er öfter versucht, sie in Unterwäsche auf die Straße raus zu werfen. Es sei ein ständiges Warten "auf den Super-Gau" gewesen, sagte sie. Sie habe sich im Guten trennen wollen, letztlich habe sie alle ihre Sachen zusammengepackt, als er in der Arbeit gewesen sei.

Eine Woche später sei er h abends vor ihrer Arbeitsstelle gestanden und habe sie gebeten, noch einmal über alles zu reden. Auch weil ihre Mutter gesagt habe, dass es nicht schaden könne, sei sie zu ihm gegangen. "Ich wollte, dass er auch einsieht, dass eine Trennung besser ist, weil es schon monatelang nicht mehr klappte", sagte die 27-Jährige. Zunächst sei alles okay gewesen, und er habe mehr traurig als wütend gewirkt. Als sie aber gehen wollte, habe er sie beim Rausgehen an der Balkontür geschubst, und sie sei gestürzt. Danach habe sie versucht, zu ihrem Auto zu laufen, er habe sie kurz vor der Gartentür eingeholt und mit einem Würgegriff wieder ins Haus gezerrt, obwohl sie um Hilfe gerufen habe. Zurück in der Wohnung habe er sie immer wieder zu Boden geschubst und eine Badelatsche nach ihr geworfen. Dann habe er ein Dekomesser vom Schrank geholt und ihr gedroht: "Wenn ich dich nicht bekomme, dann keiner."

Als er sich beruhigt habe, sei ihr mit einem Trick die Flucht gelungen. Sie habe gesagt, dass sie kurz nach Hause wolle, um ihre Wunden vor allem am linken Knie zu versorgen. Sie komme in einer Stunde wieder. Statt nach Hause ist sie aber direkt zur Polizei gefahren und hat Anzeige erstattet.

Die Version des Angeklagten war genau entgegen gesetzt: Sie sei diejenige mit dem Kontrollwahn gewesen und habe ihm jegliche Luft zum Leben genommen. Warum er das mit sich machen habe lassen, wisse er heute nicht mehr, wahrscheinlich weil "Liebe eben blind macht". Und sie sei nicht geflüchtet, sondern er habe sie aus der Wohnung haben wollen, weil sie bei dem Treffen wieder wissen wollte, was er in der einen getrennten Woche gemacht habe und er sich rechtfertigen sollte. Dabei habe er sie am Arm gepackt und wollte sie rausdrängen. An der Schwelle zur Balkontüre sei sie gestürzt, was ihn erschrocken habe. Danach habe er sich sofort um sie gekümmert.

Für die Staatsanwältin waren dies nur Schutzbehauptungen. Auch wenn letztlich Aussage gegen Aussage stehe, habe sie keine Zweifel, dass alles so passiert sei, wie in der Anklageschrift stehe. Sie forderte eine Freiheitsstrafe von acht Monaten und eine Geldauflage von 3000 Euro. Die Strafe könne man zur Bewährung aussetzen, da es seine erste Verurteilung sei.

Dies sah auch Richterin Michaela Wawerla so. Letztendlich sei es eine Abwägung der Aussagen. Die der 27-Jährigen sei ausführlich, konkret und ohne Widersprüche gewesen, die des Angeklagten "in epischer Breite", was die Beziehung betreffe, und "schmallippig und kurz angebunden", was den Tatvorwurf betreffe. Eine Geldstrafe alleine reiche nicht aus, um auf ihn einzuwirken.

© SZ vom 24.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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