Erding:Ungewisse Zukunft

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Das Jahr 2020 hat die Stadthalle Erding noch halbwegs gut überstanden, aber jetzt wiederholt sich alles. Geschäftsführerin Jutta Kistner warnt vor einer bilanziellen Überschuldung. Sie sieht aber auch Licht am Horizont

Von Antonia Steiger, Erding

Trotz aller Einschränkungen hat die Stadthalle Erding das Jahr 2020 halbwegs gut überstanden. Dabei halfen ein rigoroser Sparkurs, Eigenveranstaltungen und staatliche Fördergelder. Ob sie eine ähnliche Bilanz auch nach dem laufenden Jahr ziehen können wird, daran hat die Geschäftsführerin Jutta Kistner erhebliche Zweifel. Sie legte den Stadträten jüngst den Geschäftsbericht für 2020 vor und heimste dafür viel Zustimmung ein, die sie an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergeben wolle, wie sie sagte. Mit finanziellen Hilfen des Bundes ist laut Erdings OB Max Gotz (CSU) aber in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen für kommunale Tochterbetriebe wie die Erdinger Stadthallen GmbH. Damit bleibt die finanzielle Lage der Stadthalle vorerst ungeklärt. Eine bilanzielle Überschuldung des Unternehmens sei eine Frage der Zeit, heißt es im Geschäftsbericht. Dies alles bei höherem Arbeitsaufwand für Kontrolle und Hygiene und sinkender Personalstärke.

Die Problemlage, wie sie Kistner den Stadträten schilderte, ist umfangreich, aber Kistner wirkt nicht so, als wenn sie daran denkt aufzugeben. Veranstaltungen wurden abgesagt, Einnahmen brachen weg, und jetzt steht ihr wohl ähnliches bevor, wie sie mutmaßt. Ein stetiger kleiner Umsatzbringer sind da die Stadträte selbst, die ihre Sitzungen nun schon seit vielen Monaten in der Stadthalle abhalten, wenn der gesamte 40-köpfige Stadtrat zusammentritt. Auch der Leitung des Katastrophenschutzes und dem Gesundheitsamt für das Contact Tracing hat die Stadthalle Räume vermietet. Zudem kamen einige größere Gremien nach Erding, wie der Nachbarschaftsbeirat des Flughafens, weil man in der großen Stadthalle zusammentreffen und gleichzeitig auch Abstand halten kann. Dank aufgerüsteter digitaler Technik gab es auch virtuelle und halbvirtuelle Veranstaltungen. Sogar eine virtuelle Weinmesse fand in Erding statt.

Trotz aller Widrigkeiten zeigt sich Kistner in ihrem Bericht überzeugt davon, dass die Stadthalle eine gute Zukunft vor sich hat, wenn die Branche sich eines Tages erholt haben wird. Zu den positiven Standortfaktoren zählt sie die Nähe zum Flughafen, das in der Nähe entstehende Großhotel und die weiteren großen Infrastrukturprojekte wie die Umwandlung des Fliegerhorstes in eine zivil zu nutzende Fläche und der Bau des S-Bahn-Ringschlusses. Für die nahe Zukunft sei eine realistische Prognose aber nicht möglich, betont sie. Zwar hat sich im Jahr 2020 die Buchungslage verbessert, der Kalender sei seit September "enorm dicht" mit internationalen Tagungen und Kongressen, Messen und Kulturevents, was dem Mitarbeiterteam großen Einsatz abverlangt habe. Zur normalen Arbeit kamen Beratungen, Hygienekonzepte, Schulungen und Testkonzepte für Mitarbeiter, die Kontrollen des Publikums und anders mehr. Und das bei engen Umbauzeiten, um möglichst viele Veranstaltungen unterzubringen.

Die Stadthalle Erding hat ein weiteres Problem geschultert: Nach dem Weggang des langjährigen Gastronoms Wilhelm Dangl war die Suche nach Ersatz erfolglos verlaufen, weil sich während der Pandemie kein Gastronom vergrößern habe wollen, wie Kistner sagte. Und so hat die Stadthalle die Gastronomie selbst übernommen. Die Konzession wurde erworben, es mussten Erstinvestitionen getätigt werden. "Aber bisher waren die Kunden recht zufrieden", sagte Kistner.

Wenn man es rein finanziell betrachtet, war das Jahr 2019 sogar ein Erfolg - oder zumindest ein wenig großer Misserfolg: Nicht nur weil die Stadthalle wegen ihrer Attraktivität dank ihrer Größe - sie bietet laut Kistner das größte Raumangebot im Nordosten von München - noch mehr Veranstaltungen unterbringen konnte als andere. Ein sehr gutes erstes Quartal schlug positiv zu Buche, sodass der Rückgang bei der Zahl der Veranstaltungen und bei der Zahl der Besucher moderater ausfiel als im deutschen Mittel. Als auf den ersten Blick wirtschaftlich erfolgreich könnte das Jahr 2020 aber vor allem durchgehen, weil das Defizit so niedrig wie schon lange nicht mehr war. Weniger Veranstaltungen bedeuten eben auch weniger finanzieller Aufwand für Honorare für subventionierte Projekte, weniger Nebenkosten und weniger Personalkosten. Der Kostendeckungsgrad lag daher im Jahr 2020 immerhin bei 62 Prozent, im Vorjahr lag er bei 57 Prozent. Der Jahresfehlbetrag lag bei 504000 Euro, in den Jahren zuvor bewegte er sich zwischen 670000 und 724000 Euro. Ein für einen Defizitärbetrieb nicht unübliches Phänomen, das Kistner mit den Worten zusammenfasste: "Kein Kultur- und Veranstaltungsprogramm anzubieten, ist immer noch am günstigsten."

© SZ vom 02.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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