Erding:Und noch eine Chance

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Ein junger Mann wird rückfällig. Jetzt bekommt er einen Betreuer

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Die Zeit hat für Sie gespielt." Das hat Richter Michael Lefkaditis im April vor einem Jahr zu dem damals 20-jährigen Angeklagten gesagt, der wegen Raub, Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung und versuchten Drogenerwerbs vor dem Amtsgericht stand. Trotz der langen Liste sprach sich das Gericht nur für mindestens 60 Stunden Aufenthalt und Therapie in der Herzogsägmühle aus, einer Rehabilitationseinrichtung für psychisch kranke Jugendliche. Und auch die Staatsanwältin betonte damals, dass der Aufenthalt "eine große Chance" für den Angeklagten sei. Weil der heute 21-Jährige diese Chance aber nicht ergriffen und auch eine andere Auflage nicht erfüllt hat, stand er nun wieder vor Gericht. Und auch dieses Mal hatte er Glück: Es wurden nur die Auflagen verschärft, und ihm wurde ein Betreuer zugewiesen.

Den Aufenthalt in der Rehabilitationseinrichtung hatte er nach eigenen Angaben abgebrochen, weil er an einer Psychose leide und nicht unter fremden Leuten sein könne, sagte der 21-Jährige vor dem Schöffengericht unter Amtsrichter Michael Lefkaditis. Immerhin hatte er nach Auskunft der Jugendgerichtshilfe die Hälfte der Sozialstunden, fünf von zehn Stunden, abgeleistet, sowie 500 Euro an den Geschädigten von damals gezahlt. "Er kommt schon regelmäßig seit Oktober, aber mit dem Abliefern hat er so seine Probleme", hieß es im Bericht der Jugendgerichtshilfe. In der Sägmühle war er sogar nur eine Woche.

Ein Problem war auch bei der ersten Verhandlung vor einem Jahr sein Drogen- und sein Alkoholkonsum, weshalb er zur Auflage bekommen hatte, sich von Drogen und Alkohol fernzuhalten. Doch auch dies missachtete der 21-Jährige, wie ein Polizeieinsatz zeigt, in dem festgehalten ist, dass es zu einer Körperverletzung im Alkoholrausch durch den Mann gekommen ist. Sein Verteidiger wies allerdings darauf hin, dass im damaligen Urteil nur gestanden habe, er solle "übermäßigen Alkoholgenuss" vermeiden. Man hätte dies wohl konkreter mit völliger Enthaltsamkeit gleichsetzen sollen. Ein Fehler, den Amtsrichter Lefkaditis einräumte und im neuen Urteil korrigierte.

Der 21-Jährige sieht - neben seiner psychischen Erkrankung, einer Angststörung, die es ihm erschwere, sich auf Fremde einzulassen - vor allem seinen Alkoholgenuss als Problem an, weshalb er hoffe, einen Platz in einer Alkoholtherapie zu bekommen. Die fehlenden Sozialstunden würde er natürlich auch noch ableisten, sagte er. Dass er zuletzt nach fünf Tagen einfach nicht mehr gekommen sei, sei "nicht zu entschuldigen". Nach Ansicht der Staatsanwältin hatte er die Auflagen, die ihm für seine einjährige Bewährungszeit auferlegt worden waren, "nur halbherzig eingehalten". Er habe zudem keine positive Sozialprognose und sei sogar straffällig geworden, wenn es auch bis dato keine Strafanzeige wegen Körperverletzung gebe. Sie forderte, die Bewährung aufzuheben und ihn elf Monate ins Gefängnis zu schicken. Die Jugendgerichtshilfe hatte auch ein "bisserl Angst", dass der Angeklagte ohne externe Hilfe die alten und möglichen neuen Auflagen nicht erfüllt: "Das Durchhalten ist sein Problem." Auch sein Verteidiger sah dies so. Sinnvolle Bewährungsauflagen wie zum Beispiel eine Alkoholtherapie würden seinem Mandanten mehr helfen statt ein Gefängnisaufenthalt.

Das Schöffengericht unter Richter Lefkaditis beschloss im Gegensatz zur Verhandlung vor einem Jahr, eine zehnmonatige Bewährungsstrafe zu verhängen, allerdings ausgesetzt auf zwei Jahre zur Bewährung. Zudem bekommt er einen Betreuer zugeordnet. Die fehlenden Sozialstunden muss er ableisten und mit Hilfe der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle Erding einen Therapieplatz für Alkoholabhängige suchen und die Therapie auch durchziehen. Außerdem muss er sich von Drogen und Alkohol komplett fernhalten. Ob dies klappt, steht in den Sternen. "Wie soll ich das schaffen ohne Therapie?", fragte er Richter.

© SZ vom 14.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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