Erding:Tadellos bewältigt

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Katastrophenschutz erhält einzigartige Zertifizierung

Von Thomas Daller, Erding

Auf den Katastrophenschutz in Erding ist Verlass: Der Landkreis hat den ersten bayerischen Katastrophenschutzstab, der sich im Rahmen einer Abschlussübung für die "Nachhaltige Stabsausbildung" qualifiziert hat. Das ist "einzigartig" im Freistaat, lobte Wolfgang Jape, Veranstaltungsleiter der Übung vom Bundesamt für Zivilschutz. "Sie haben das System verinnerlicht."

Zwei Tage haben die Mitarbeiter des Landratsamtes in zwei Schichten geschwitzt, um das Chaos zu bewältigen, ein Riesenchaos: Ein Schneesturm im Landkreis Erding, ein Meter Neuschnee, Dächer und die Hangars am Flughafen ächzen unter der Last, Stromausfälle im halben Landkreis, ein Krankenhaus und ein Zug müssen evakuiert werden. Was tun - und welcher Reihenfolge? Dieses Szenario haben die Teams des Katastrophenschutzes unter den Augen von Profis aus der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) absolviert und tadellos bewältigt.

Die beiden Teams des Landratsamtes Erding haben sich seit 2018 einem intensiven Training in der Zivilschutzakademie in Ahrweiler unterzogen. Und das mit wachsender Begeisterung, sagte Joel Hollaender, Leiter der Abteilung Kommunales, Sicherheit und Ordnung.

Aber man wird bei jeder Übung tief in die Tinte getaucht. Jemand mit Sinn für Humor hat ein Tief namens "Donald" erfunden, das dem Voralpengebiet eine mächtige Schneedecke und stürmische Winde beschert. Eine 380-KV-Leitung rauscht runter, trifft auf die Bahngleise bei Dorfen. In der Stadt gehen die Lichter aus. Auf der Bahnstrecke steckt ein voll besetzter Personenzug fest und im Dorfener Krankenhaus addieren sich mehr und mehr Probleme. Auch die Patienten müssen verlegt werden.

Ein sportliches Szenario. Weitere Herausforderungen werden im Lauf der Übung hinzukommen. Die Teams, die darauf eine Lösung finden sollen, sitzen im großen Saal des Landratsamtes, wo sonst der Kreistag tagt. Ein weiteres Team, das dieses Szenario ständig weiter ausschmückt, sitzt zwei Stockwerke höher unter dem Dach. Alles Fachleute, alte Hasen vom THW, der Wasserwacht, der Polizei, vom Roten Kreuz, der Notfallmanager der Deutschen Bahn, alles was Rang und Namen hat.

Die schlechten Nachrichten reißen nicht ab: Bei einem Meter Neuschnee kommen die Schneepflüge kaum noch durch. Der Verkehr ist ohnehin stark eingeschränkt, es gibt im Landkreis (tatsächlich) nur zwei Tankstellen, die über ein Notstromaggregat verfügen. Die Krankenhäuser haben zwar welche, aber Seniorenheime nicht. Wie viel Diesel hat der festsitzende Zug noch für Heizung und Licht? Wie viele Patienten des Krankenhauses müssen liegend im Rettungswagen transportiert werden, wie viele können auch mit einem Bus mitfahren? Auch die sozialen Medien spielen in dem Szenario eine Rolle: 200 Menschen haben sich via Facebook verabredet, im Landkreis Erding zu helfen und sind schon unterwegs. Auch das muss koordinier werden.

Aus 75 bis 80 Beteiligten bestehen die beiden Teams, ihre Sparringspartner unterm Dach, die IT und weitere Helfer. Rein rechnerisch können sie auf 4079 Einsatzkräfte zurückgreifen. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) gibt bei Katastropheneinsätzen die Richtlinien vor: Priorität eins hat in dem Szenario die Bevölkerung, Priorität zwei die Energieversorgung. Die Teams haben drei Gruppen gebildet, die sich jeweils um die Themen Schnee, Krankenhaus und Strom kümmern. Sogar die Sitzordnung im Sitzungssaal ist so ausgetüftelt, dass die Wege zu den Fachberatern und Verbindungsleuten so kurz wie möglich sind. "Die Lage verändert sich ständig, Probleme werden abgearbeitet, neue kommen hinzu", sagte Jessika Niemetz, Regieleiterin des AKNZ.

Die Übungen offenbaren auch Schwachstellen im System. Landrat Bayerstorfer sagte, man werde sich beispielsweise überlegen, wie man die Defizite mit den Tankstellen-Notstromaggregaten beheben könne. Auch eine ständige Aktualisierung der Daten sei wichtig: "Beim Hochwasser 2013 mussten wird die Schulen ausfallen lassen. Dabei haben wird festgestellt, dass wir von einigen Schulleitern nur die Festnetznummern hatten."

Mit solchen widrigen Kleinigkeiten müssen sich auch die Teams bei der aktuellen Übung herumschlagen. Aber es unterlaufen ihnen nur "ein paar Flüchtigkeitsfehler ohne größere Wirkung", sagte Veranstaltungsleiter Jape zum Abschluss am Donnerstag Abend. "Das Team ist wirklich gut, sie haben in Riesenschritten viel gelernt."

© SZ vom 23.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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