Erding:SPD kehrt der Gutscheinpolitik den Rücken

Lesezeit: 2 min

Die Ankündigung von Landrat Bayerstorfer, an dem nur in Erding angewandten System festzuhalten, rügen die Sozialdemokraten als "empörenden" Alleingang. Die Genossen fordern, dass das Modell im Herbst beendet wird

Von Florian Tempel, Erding

Die SPD will das mit ihrer Zustimmung im Frühjahr beschlossene Gutscheinsystem für Flüchtlinge wieder abgeschafft wissen. Entgegen der Vorgabe des zum 1. April novellierten Asylbewerberleistungsgesetzes bekommen Flüchtlinge im Landkreis Erding das ihnen zustehende Geld für Kleidung und Schule nicht bar ausgezahlt. Ein solches Gutscheinsystem gibt es sonst in ganz Oberbayern nicht. "Wir sind nicht dafür, dass die Gutscheinpolitik weitergeführt wird", sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Ulla Dieckmann, bei einem Gespräch in der SZ-Redaktion. Es sei unpraktisch und bereite einen "riesigen Verwaltungsaufwand". Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) will am Gutscheinsystem festhalten.

Dieckmann sagte, sie und die Fraktionssprecher der Grünen und der ÖDP hätten der Einführung des umstrittenen Gutscheinsystems nur unter einer Bedingung zugestimmt: Es sei mit Bayerstorfer verabredet worden, das Gutscheinmodell in einer Probezeit von einem halben Jahr auf seine Tauglichkeit zu prüfen. Sie habe für die SPD, so Dieckmann, diesem Kompromiss "zähneknirschend" zugestimmt, weil ihr eine Konsensentscheidung wichtig gewesen sei. Mit Bayerstorfers Alleingang, ohne Abstimmung mit den Fraktionssprechern, ein Festhalten an den Gutscheinen zu verkünden, sei die Basis des Konsenses zerstört. Kreisrat Horst Schmidt nannte es "empörend", dass Bayerstorfer seine Entscheidung bei einem CSU-Pressegespräch bekannt gegeben habe. Es gehe nicht an, dass "entscheidende Dinge, die im Landkreis passieren, auf einer CSU-Veranstaltung präsentiert werden". Dieckmann und Schmidt wollen, dass das Gutscheinmodell wie vereinbart im Herbst noch einmal mit den Fraktionssprechern diskutiert und spätestens dann - im Konsens - beendet wird.

Dieckmann räumte ein, dass für sie im Frühjahr das Gutscheinmodell "nicht das Riesenthema" war. Schmidt sagte: "Es war auch für uns ein Lernprozess. Wir hätten und anders verhalten können. Wichtig ist aber, wie wir uns jetzt verhalten." Rückmeldungen aus Helferkreisen für Flüchtlinge hätten inzwischen klar gemacht, dass das Gutscheinsystem "nicht so gut läuft", sagte Dieckmann. Schmidt kritisierte, dass Bayerstorfer bislang keine überzeugenden Gründe für die Ausgabe von Gutscheinen angegeben habe. Das Gesetz sieht zwar in Ausnahmen die Möglichkeit vor, Gutscheine statt Bargeld auszugeben. Welche besondere Ausnahmesituation im Landkreis Erding im Gegensatz zu allen anderen oberbayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten gegeben sei, "erschließt sich mir nicht".

Bayerstorfer hat immer wieder betont, die Gutscheine seien eine "pragmatische Lösung". Als Gründe, warum sie so gut seien, hat er verschiedene, aber stets nur pauschale Rechtfertigungen gegeben: Bargeld schaffe "falsche Anreize"; die Flüchtlinge könnten das Geld zum Kauf von Stereoanlagen zweckentfremden; mit der Ausgabe von Gutscheinen werde dafür gesorgt, dass Geschäfte im Landkreis von den Einkäufen profitierten. Bayerstorfer hatte am Montag gesagt, er werde am Gutscheinsystem so lange festhalten, solange er keine "eigene Anweisung" von Sozialministerin Emilia Müller (CSU) bekomme, es zu beenden. Die Regierung von Oberbayern überprüft zusammen mit dem Sozialministerium seit Wochen, ob das Erdinger Gutscheinsystem rechtmäßig ist, hat diese Prüfung aber noch nicht abgeschlossen.

Die SPD hat für Landrat Bayerstorfer aber nicht nur Kritik übrig. Schmidt lobte ihn dafür, dass er bei der CSU-Pressekonferenz "die Arbeit der Ehrenamtlichen gewürdigt" habe. Schmidt lobte auch die Mitarbeiter des Landratsamtes, die bei der Betreuung der Flüchtlinge im Landkreis Erding "einen guten Job machen". Dieckmann sagte, "es ist auch gut, dass jetzt eine Koordinierungsstelle" eingerichtet wird, was die SPD vor sieben Monaten beantragt habe. In Kooperation mit der Caritas wird es bald einen Ansprechpartner für die Helferkreise am Landratsamt geben. Sie habe die Hoffnung, dass dadurch "die Kommunikation" zwischen der Behörde und den Ehrenamtlichen verbessere. Schmidt sagte, "dass wir in Zukunft noch mehr Transparenz und frühzeitige Informationspolitik brauchen werden".

Schmidt forderte zudem mehr sozialen Wohnungsbau und kündigte dazu entsprechende Anträge im Erdinger Stadtrat und im Kreistag an. Da viele Flüchtlinge lange Zeit oder immer "bei uns bleiben werden", müsse die Stadt Erding jetzt beginnen, künftig jedes Jahr Sozialwohnungen für hundert Menschen zu schaffen. "Nicht nur wegen der Flüchtlinge", sagte Schmidt, sondern auch, "weil wir damit etwas Gutes für die ganze Bevölkerung tun."

© SZ vom 07.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: