Erding:Siegreicher Schwabe

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Der Stuttgarter Olaf Bossi gewinnt den St. Prosper Nachwuchs-Kabarettpreis im "Hunter". Der Liedermacher überzeugt mit einer Mischung aus bitterbösen Pointen, Poesie und Ehrlichkeit

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

Mit pechschwarzen und nachdenklichen Texten sowie einer liebevollen und wohltuend unaufgeregten Bühnenpräsenz hat Olaf Bossi den St. Prosper Nachwuchs-Kabarettpreis 2016 gewonnen. Der 45-jährige Liederkabarettist und einzige Nicht-Bayer unter den fünf Teilnehmern freute sich über die Auszeichnung gleich doppelt: als Künstler und als "Stuttgarter, der heute mal etwas gewinnt" - zu Bossis Leidwesen mussten am Samstag drei Stuttgarter Fußballmannschaften den Gang in untere Ligen antreten.

Bereits mit seinem ersten Lied nach der Pause überzeugte Bossi Zuschauer und Jury. "Geld oder Leben" ist in leisen Tönen eine bitterböse Abrechnung mit dem Gesundheitssystem. Warum nicht Transplantationen im Internet versteigern, Hüftprothesen als Sonderangebot verscherbeln oder im Krankenbett Wetten auf die eigene Gesundheit abschließen? "Schlaf ist die einzige Medizin, die man sich als Kassenpatient noch leisten kann." Poetische Klänge schlug Bossi an, als er über das Familienleben sinniert. Die volle Sympathie der Zuschauer sicherte er sich aber mit seinem schier endlosen "Schlaflied". Der Vater singt es mantraartig die ganze Nacht, doch das Kind schlummert im Gegensatz zu ihm partout nicht ein. Auch nicht, als sich der "Mann im Mond schon die Milchstraße durch die Nase zieht", mit "Sonnencreme einschmiert" und die Mutter von alldem ein Video auf Youtube hochgeladen hat.

Erfolgreicher verlief die Veranstaltung hingegen für die Betreiber des "Hunter". Die Preisverleihung war eine gelungene Premiere für den neuen und sehr gut besuchten Club. Doch wie an solchen Abenden nicht selten, passierte eine kleine Panne. Beim Auftritt von Radio Niederbayern, die den Wettstreit eröffneten, fiel plötzlich der Verstärker aus. Glücklicherweise wurde der Fehler schnell behoben und das Publikum entschädigte mit einem Sonderapplaus. Davon unbeirrt, mit viel Musik und derben Sprüchen führten die drei Männer durch ihre kurzweilige Sendung. Für einen Geisterfahrer hatten sie letzte Tipps parat, bevor dieser die Autobahn für immer verlassen sollte, und mit einer Schalte ins "St. Prosper Seniorenstift Altenerding" inszenierten sie eine kurze Reportage. Doch ihr Auftritt war vor allem eine Liebeserklärung an das "älteste Kulturvolk Europas" und das "schönste Land der Welt": Niederbayern, wie könnte es anders sein.

Quirlig, überdreht und urkomisch zog der fränkische Schauspieler Martin Maria Eschenbach die Zuschauer in seinen Bann. In der Rolle des schleimigen, aalglatten und selbstverliebten Erfolgscoachs Angelo Sommerfeld erklärte er mit ausgeprägtem BWLer-Duktus den "Friends", wie "Scheitern mit Mehrwert" geht: "Sink big or go home." Überzeugung sei alles, was zählt. Da macht es nichts aus, dass der "Pusher" und "Macher" erst nach dem Druck von 500 T-Shirts den Rechtschreibfehler im eigenen Motto entdeckt. "Think big" hätte es ja heißen sollen. "No problem", Misserfolge sind ausgeschlossen, denn: "Wenn ich mir was vormache, dann setze ich das auch um." Einen Spruch, den Publikum und Jury mehrmals wiederholen mussten. Offensichtlich mit Erfolg, Sommerfeld gewann den zweiten Platz.

Satirisch, politisch unkorrekt und zuweilen folkloristisch wurde es mit Thomas Mayer alias Vogelmayer. Begleitet von spärlichen Gitarrenriffs sang der Straubinger über einen CSU-Wähler, der aus Mitleid in die bayerische SPD eintritt, und über seine Liebe zum Freistaat, in dem es nur eine Partei gebe und der Pfarrer "mausen" müsse. "Dahoam ist kein Ort, sondern ein Gefühl." Im Saal gab es dafür zustimmende Pfiffe und lang anhaltenden Applaus. Am Ende heimste Vogelmayer Platz drei ein.

Ihrem Künstlernamen Grampfhennangschnoder alle Ehre machten Maria und Leni Böhm und Anna Gilnhammer, als sie den sonntäglichen Tratsch drei älterer Damen parodierten, einen Abgesang auf Tupperpartys lieferten und mit dem "Putzlumpentango" genüsslich dafür plädierten, nur einmal im Jahr sauber zu machen.

Das Publikum folgte stets der Bitte von Moderator Martin Bauer, die Künstler "mit Händen, Füßen und Hüftschwung herzlich zu begrüßen". Einziger Wermutstropfen: Marco Vogl musste seine Teilnahme wegen Krankheit kurzfristig absagen.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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