Erding:Randale im Vollrausch

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25-jähriger Angeklagter wird am Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Der Mann ist einschlägig vorbestraft und muss nun wegen seines Alkoholproblems an Suchtberatung teilnehmen

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Wegen fahrlässigen Vollrauschs ist am Amtsgericht ein 25-jähriger Angeklagter zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und einer Geldauflage von 1500 Euro verurteilt worden. Die Haftstrafe wurde aber - da es sich um seine erste handelt - drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Dabei hatte der Angeklagte noch Glück, dass Richterin Michaela Wawerla nicht mit Sicherheit sagen konnte, dass er vielleicht zur Tatzeit doch schuldfähig war. Denn dann wäre er wegen zweifacher vorsätzlicher Körperverletzung, massivsten und andauernden Beleidigungen von Polizeibeamten und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt worden.

An alles, was am Sonntag, 26. Mai, in diesem Jahr passiert ist, konnte sich der Angeklagte nach seinen Aussagen nicht mehr erinnern, wie seine Anwältin für ihn erklärte. Dass er ein massives Alkoholproblem habe, gab sie aber zu. Angefangen hat alles an dem Tag mit einem Anruf einer Freundin, die er schon seit dem Kindergarten kennt, wie aus den Zeugenaussagen hervor ging. Diese fragte ihn, ob er nicht noch vorbei kommen wolle. Sie sitze mit ihren Eltern zusammen und trinken Wein. Und ob er nicht noch Wein mitbringen könnte. Der "feuchtfröhliche Abend", wie die Staatsanwältin formulierte, endet mit fünf bis sechs leeren Weinflaschen, wovon seine Bekannte, die als Zeugin aussagte, maximal 1,5 getrunken hatte.

Gegen 23.30 Uhr brach der Angeklagte auf und seine Freundin glaubte, er werde sich mit einem Taxi heimfahren lassen. Doch der 25-Jährige machte sich in die rund einen Kilometer entfernte Wirtschaft Reiterbräu in Wartenberg auf. Dort bestellte er sich noch ein Bier. Dass er nicht mehr ganz nüchtern war, merkten andere Gäste recht schnell. Zunächst die Gäste einer Hochzeitsgesellschaft, dann andere an der Bar. Laut dem Wirt sei er vor allem durch seine kruden, lauten politischen Aussagen aufgefallen - bis es dem Wirt zuviel wurde, er ihm das Bier weg nahm und ihn bat zu gehen.

Doch dass habe dem Angeklagten nicht gepasst und er sei aggressiv geworden und habe "herumgefuchtelt", weshalb der Wirt ihn umklammerte, um ihn hoffentlich ruhig zu stellen. Er habe auch den Eindruck gehabt, dass das der Fall sei und ihn nach einer Minuten wieder losgelassen. Aber kaum sei das passiert, "hat er sich umgedreht und mir eine geschossen". Der Angeklagte hatte ihm einen Faustschlag auf die Stirn verpasst. Von da an wurde es turbulent und der 25-Jährige blieb durchgehend aggressiv, bis er in der Klinik Erding zur Haftprüfung vorgeführt wurde, und der feuchtfröhliche Abend in der Ausnüchterungszelle endete.

Nach der Attacke gegen den Wirt versuchte ein Mitarbeiter den rabiaten Gast zu bändigen, was in einem Gerangel durch den Raum, gegenseitigen Ohrfeigen und einem Sturz zu Boden endete. Hochzeitsgäste zogen dann den Angeklagten vom Mitarbeiter und es brauchte zeitweise vier bis fünf Mann, um den 25-Jährigen am Boden zu halten, bis die Polizei eintraf. Und auch bei den Beamten gab er keine Ruhe. Er widersetzte sich, ließ sich immer wieder fallen und beleidigte die beiden Beamten, die ihn zur Haftprüfung in die Klinik fuhren fortwährend. Er urinierte sogar in das Polizeifahrzeug - ob absichtlich, blieb offen. Während der ganzen Fahrt musste sich einer der Beamten auf ihn setzen, damit die Fahrt überhaupt möglich war.

Schwierig war für Richterin Wawerla herauszufinden, inwieweit der Angeklagte zur Tatzeit zurechnungsfähig war, ob er sich noch bewusst war, was er machte. Die meisten Zeugen bestätigten, dass der 25-Jährige ziemlich betrunken gewesen sei, aber es gab auch Aussagen, dass er durchaus ansprechbar gewesen sei. Auch die ihn am Klinikum untersuchende Ärztin bescheinigte, dass er "klar" gewesen sei. Die Verteidigerin des 25-Jährigen vermutete, dass man ihren Mandanten bewusst haftfähig beurteilt habe, damit man ihn sozusagen zur Polizei abschieben kann.

Weil man mit Sicherheit nicht sagen könne, dass er schuldfähig war, sprach ihn die Amtsrichterin des fahrlässigen Vollrauschs schuldig. Bereits im Dezember 2017 war er deshalb verurteilt worden - zu einer Geldstrafe. 2016 stand er zudem zwei mal bereits vor Gericht. Wegen Körperverletzung, Beamtenbeleidigung und Widerstand bei seiner Festnahme. Dafür gab es damals eine Geldstrafe. Zudem wegen Unfallflucht - beides mal war Alkohol im Spiel. "Eine Geldstrafe beeindruckt sie nicht, wie man sieht", sagte die Amtsrichterin, vielleicht bewege ihn die Freiheitsstrafe auf Bewährung dazu, endlich von seinem Alkoholproblem los zu kommen. Sie verordnete ihm zudem drei Beratungsgespräche bei der Suchtberatung Probs und wies ihm einen Bewährungshelfer zu, der ihn unterstützen soll. "Denn Hilfe brauchen sie", sagte Wawerla.

© SZ vom 16.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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