Erding:Opa trinkt nicht mehr so viel

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Die Psychosoziale Beratungsstelle Prop erreicht mit ihrem Programm "Elderly" viele ältere Alkoholkranke. Der Anteil der über 64-Jährigen hat sich innerhalb von zwei Jahren verdreifacht

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

Alkohol ist nach wie vor das bestimmende Thema in der Erdinger Suchtberatung. Im vergangenen Jahr sind 52 Prozent der knapp 700 Patienten aus diesem Grund in die Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle von Prop gekommen. Thomas Pölsterl, der Leiter der Einrichtung, bewertet es als Erfolg, dass man deutlich mehr ältere Menschen mit einer Alkoholproblematik erreichen konnte. Der Anteil der über 64-Jährigen hat sich innerhalb von zwei Jahren verdreifacht.

Die Teilnahme an "Elderly", einem Programm des Münchner Instituts für Therapieforschung, das sich gezielt an Alkoholkranke richtet, die älter als 59 Jahre sind, habe ermöglicht, dass mehr Menschen aus dieser Altersgruppe in die Beratung gekommen sind. Wer sich dafür entscheidet, sei "hochmotiviert", die eigene Sucht in den Griff zu bekommen. Vier oder zwölf Sitzungen stehen zur Verfügung, über die Dauer entscheidet das Los. Mehr würden die Betroffenen auch nicht brauchen, ist Pölsterl sicher, da ihr Problembewusstsein stark ausgeprägt sei. Zumal hätten die meisten erst im Alter - zum Beispiel aufgrund von Schicksalsschlägen - angefangen, übermäßig viel zu trinken. Die Therapie selbst folgt strengen Vorgaben. Alles wird auf Tonband aufgezeichnet und anschließend wissenschaftlich ausgewertet. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Teilnehmer nach Abschluss der Maßnahme innerhalb eines Jahres freiwillig eine Haarprobe abgeben. Eine Art Erfolgskontrolle für Patienten, Therapeuten und Forscher.

Alkohol ist eines der Suchtmittel, gerade ältere Menschen sind aber auch von Medikamenten abhängig. Meist handelt es sich um Benzodiazepine, eine Gruppe von Wirkstoffen, die in Schlafmitteln wie Valium vorkommt. "Dieses Klientel wird von keiner Beratungsstelle erreicht, da viele nichts von ihrer Abhängigkeit wissen", sagt Pölsterl. "Häufig denkt man: Der Arzt hat es ja verschrieben, also wird es auch gut sein." Und so hätten einige Patienten die Präparate über Jahre hinweg genommen. Das Problem dabei sei jedoch, dass sich die Wirkung bereits nach wenigen Wochen umkehre und immer höhere Dosen erforderlich würden. Pölsterl stellt jedoch fest, dass die Zahl der Verordnungen rückläufig sei. Nichtsdestotrotz, die Dunkelziffer ist hoch. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen geht bundesweit von etwa eineinhalb Millionen Betroffenen aus.

Viel zu tun gibt es auch in der Jugendhilfe. Denn obwohl die Zahl der unter 21-jährigen Klienten mit etwa 170 leicht rückläufig ist, würden die psychologischen Auffälligkeiten immer komplexer, so dass die Beratung mehr Zeit benötige, sagt Pölsterl. Im Herbst wurde daher eine zweite Mitarbeiterin für diesen Bereich eingestellt. Fast immer sind es Männer, das Geschlechterverhältnis bei den Jugendlichen beträgt zehn zu eins. 50 Prozent sind wegen Cannabis da, viele von ihnen auf gerichtliche Anordnung. Fälle von "harten" Drogen wie Crystal Meth gebe es in Erding nicht, sagt Philipp Bayer, der die offene Jugendsprechstunde leitet. Gleichwohl beobachtet er, dass Kräutermischungen, so genannte Legal Highs, als Substitution für Gras dienen, da sich diese in Haarproben schwerer nachweisen ließen. "Ein gefährliches Spiel", warnt Bayer. "Die Substanzen sind oft noch gesundheitsschädlicher." Er stimmt mit Pölsterl überein, dass die Beratung von den jungen Erwachsenen gut angenommen würde. 72 Prozent halten die Maßnahmen bis zum Schluss durch. Die gute Lage im Zentrum, die geringe Dauer von wenigen Wochen sowie die Unverbindlichkeit des Angebots begünstigten das. Auch ohne Termin ist eine Beratung möglich. Ein Vorteil, denn die, die freiwillig kommen (25 Prozent), wollten "spontan eine Ansprache", sagt Bayer.

Insgesamt stellt Pölsterl fest, dass das Missbrauchsverhalten über alle Altersgruppen hinweg leicht zurückgegangen ist. Außer Alkohol spielt Cannabis eine Rolle, das 24 Prozent konsumieren, gefolgt von Opiaten und Stimulanzien wie Ecstasy mit sechs Prozent. Glücksspielabhängige machen drei Prozent aus. Sieben von zehn Patienten sind männlich.

Seit 1996 suchen Menschen mit Suchterkrankungen Hilfe bei dem gemeinnützigen Verein in Erding. "Unser Team ist gut aufgestellt und sehr erfahren", sagt Pölsterl. 13 Fachkräfte arbeiten bei Prop, manche bereits seit mehr als einem Jahrzehnt. Demnächst will man im Schönen Turm auch Glücksspieler behandeln - derzeit ist nur deren Beratung erlaubt. Pölsterl hofft auf den "letzten notwendigen Stempel" von der Rentenversicherung für die Genehmigung der ambulanten Rehabilitation.

© SZ vom 26.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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